deutliche Mehrheit der Bevölkerung gegen diesen Verfassungsvertrag ausgesprochen hat; Großbritannien hat – zumindest vorläufig – sein Referendum ausgesetzt. Somit stellt sich die Frage: Wie geht es in Europa weiter, wie kann man mit dieser Situation umgehen?
Ich bin der Meinung, das Schlechteste, das passieren könnte, wäre, dass Europa nun in eine monatelange Agonie fällt, dass man den Eindruck bekommt, Europa sei nicht handlungsfähig. Das Schlechteste wäre, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre, und einfach so weiterzumachen, denn die Menschen in Europa erwarten sich in dieser Situation klare Antworten und klare Strategien, wie es mit Europa und vor allem mit der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik weitergehen soll. Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und sagen: Es interessiert uns nicht, wie die Menschen in Europa abgestimmt haben! – Es ist notwendig, jetzt klare Maßnahmen zu einer Richtungsänderung in Europa zu setzen, denn das erwarten sich die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)
Worin soll diese Richtungsänderung bestehen? – Die Hauptkritik, die es an der europäischen Politik gibt, besteht doch darin, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Europäische Union biete keinen ausreichenden Schutz gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung. Viele Menschen haben Angst, dass in Zukunft nicht mehr die Güter, sondern die Arbeitsplätze exportiert werden. (Abg. Großruck: Haben Sie auch Angst?) Viele Menschen haben außerdem den Eindruck, dass die Politik der Europäischen Union, geprägt durch die Staats- und Regierungschefs und die europäischen Institutionen, negative Folgen der Globalisierung in Europa verschärft.
Dafür gibt es zwei Beispiele: zum einen die Diskussion über die Dienstleistungs-Richtlinie, die, so meine ich, berechtigt bei vielen kleinen und mittleren Unternehmungen und deren Beschäftigten die Befürchtung auslöst, dass es dadurch zu einem Verlust von Arbeitsplätzen kommt, und zum anderen auch die von Minister Bartenstein betriebene Richtlinie zur Verlängerung der Arbeitszeit in Europa, die ebenfalls bei vielen Menschen die Befürchtung auslöst, dass Europa nicht sozialer wird, sondern – ganz im Gegenteil! – dass die Interessen der Arbeitnehmer in Europa unter die Räder kommen. Dazu kommt, dass sich die Wirtschaft seit mehreren Jahren anhaltend mit zu geringem Wachstum und mit zu wenig Initiativen, um Beschäftigung in Europa zu schaffen, konfrontiert sieht.
Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass es nur dann eine Zustimmung der Menschen zum europäischen Projekt geben wird, wenn es gelingt, diese Hauptherausforderung für Europa zu lösen. Nur mit einem Weiterwurschteln wird dieses Problem nicht zu lösen sein. Hier sind klare Maßnahmen gefordert – und das erwarten sich auch alle vom Gipfel auf europäischer Ebene nächste Woche. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Es stellt sich dabei natürlich auch die Frage: Was kann Österreich dazu beitragen? Österreich trägt große Verantwortung. Wir liegen im Zentrum dieser nun größeren, erweiterten Europäischen Union, viele der neuen Mitgliedstaaten sind unsere Nachbarn, und wir sind natürlich der Auffassung, dass es eine wirtschaftliche und soziale Solidarität mit diesen Nachbarn geben muss. Daher wird niemand bestreiten, dass die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die Empfänger europäischer Solidarität sein werden und daher zu den Nettoempfängern gehören.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es jetzt zehn neue Staaten gibt, die selbstverständlich der Solidarität bedürfen, muss man sich die Frage stellen, ob alle bisherigen Nettoempfänger in der Europäischen Union das auch weiterhin sein müssen. Alle Mitgliedstaaten, die Nettoempfänger waren, haben nun fast 20 Jahre lang mit gutem Recht Mittel der Europäischen Union erhalten, damit es zu einem wirtschaft-