Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 23

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lichen Aufholprozess kommt, und viele Staaten haben das auch genützt. Aber jetzt stehen wir vor einer neuen Situation. Die neuen Mitgliedstaaten müssen einen ähn­lichen wirtschaftlichen Aufholprozess durchmachen, und daher kann es nicht so sein, dass die Last auf nur wenige Schultern in Europa verteilt wird und alle, die bisher Nettozahler waren, das auch in Zukunft bleiben, während all jene, die bisher Netto­empfänger waren, glauben, dieses Recht auch weiterhin konsumieren zu können.

Europa ist dann solidarischer und besser finanzierbar, wenn nicht weniger Staaten diese finanzielle Last zu tragen haben, sondern wenn mehr Staaten diese Last tragen. Daher fordern wir von der österreichischen Bundesregierung, in den Verhandlungen über die Finanzen in der Europäischen Union dafür einzutreten, dass die neuen Mitgliedstaaten allesamt Nettoempfänger sind, dass aber die Last der Finanzierung auf mehr Schultern in Europa verteilt wird und nicht von wenigen getragen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber das Geld allein macht es nicht aus. Es stellt sich auch die Frage: Was wird mit den Mitteln auf europäischer Ebene gemacht? Wenn man nun hört, Herr Bundes­kanzler, dass es einen Kompromissvorschlag über eine mögliche Einigung zur Finan­zierung gibt, und man nachschaut, wo die Europäische Union kürzt, dann stellt man fest: Die Kürzungen erfolgen bei den Transeuropäischen Netzen, sprich zum Beispiel Brenner-Basistunnel, die Kürzungen erfolgen in der Wissenschaftszusammenarbeit, die Kürzungen erfolgen bei Mitteln für den ländlichen Raum, und die Kürzungen treffen letztendlich die Umsetzung einer Wachstums- sprich Lissabon-Strategie für Europa.

Ich halte es für falsch, dass, wenn man die berechtigte Auseinandersetzung über die Finanzierung der Europäischen Union führt, alle bisherigen Ausgabenblöcke völlig unverändert bleiben und das, was dringend zusätzlich in Europa notwendig wäre, am Altar eines Kompromisses geopfert wird. Wir brauchen, damit das Richtige und Ver­nünftige in Europa gemacht wird, dringend eine Reform der Ausgaben. Würde der Kompromiss so aussehen, dass das, was dringend notwendig wäre – auch für Österreich –, unter die Räder kommt und an den bisherigen Ausgabenstrukturen der EU, die nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben, nichts geändert wird, so wäre das ein fadenscheiniger Kompromiss, der für Europa nicht gut ist.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es nicht nur darum: Wie viel muss Österreich zahlen?, sondern auch darum: Wofür gibt die Europäische Union das Geld aus? Die Kehrtwendung muss darin bestehen, dass in Zukunft mehr ausgegeben wird für Transeuropäische Netze, für vernünftige Wissenschafts- und Forschungs­politik, damit wir den Rückstand gegenüber anderen Teilen der Welt aufholen. Es muss Strukturreformen geben.

Wenn Sie mir nicht glauben, empfehle ich Ihnen die Lektüre einiger, auch inter­nationaler Zeitungen der letzten Woche. Sie glauben nicht, wie viel Geld die EU gar nicht imstande ist auszugeben – obwohl es von den Mitgliedstaaten eingezahlt wird –, weil sie gar nicht über die geeigneten Strukturen verfügt.

Ich bin der Meinung, Europa braucht ein klares Signal. Europa braucht ein klares Sig­nal, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik an die Spitze gestellt werden und wir Wachstum und Beschäftigung in Europa bekommen. Europa braucht ein klares Signal, dass diese Verfassung, wenn sie schon von zwei Staaten abgelehnt wird, durch eine bessere Verfassung ersetzt wird, die die Chance hat, die Zustimmung aller Menschen in Europa zu bekommen. Sie werden niemanden finden, der diese Verfassung ohne irgendeine Veränderung in Frankreich oder in den Niederlanden noch einmal zu einer Volks­ab­stimmung vorlegt. Nein, den werden Sie nicht finden. Sie müssen den Menschen dort die Chance und die Möglichkeit geben, zu sagen: Jawohl, die europäische Politik hat


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