Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 24

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gelernt, es gibt einen besseren Vorschlag, der auch Zustimmung finden kann! (Beifall bei der SPÖ.)

9.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Für eine einleitende Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht über­schreiten. – Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.

 


9.16.27

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren zu Hause an den Bildschirmen! Ich war auf Grund des Titels der Aktuellen Stunde, „Für eine Kehrtwende in der EU-Politik“, sehr neugierig darauf, was uns der Oppositionsführer heute hier an Neuem sagen wird. Jetzt, nach seinen Ausführungen, frage ich mich: Worin besteht die Kehrtwendung, wenn Sie das sagen, was wir eigentlich alle seit Jahren sagen, was wir in die Europäische Verfassung hineingelegt haben, nämlich: mehr soziales Gewissen, mehr soziale Bedeutung und Verantwortung in der Europäischen Union und durch die Europäische Union und ihre Institutionen?

Worin besteht jetzt die Kehrtwendung, wenn Sie Wachstumsinitiativen und For­schungs­incentives verlangen, die in der Finanzvorschau ohnehin enthalten sind, so­wohl im Kommissionsvorschlag als auch im Luxemburger Kompromissvorschlag? Wir haben beispielsweise die Forschungsausgaben gegenüber der heutigen Periode deutlich erhöht. Also, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Worin besteht die Kehrt­wen­dung in der Europapolitik? – Ich habe es nicht verstanden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich teile Ihre Meinung, die Sie am 11. Mai in Ihrer Rede zur Europäischen Verfassung kundgetan haben:

„Die EU-Verfassung“ – diese jetzt – „schafft die Chance und die Voraussetzung dafür, dass es in Zukunft bessere Politik ... gibt. Daher ist diese Verfassung keine Garantie, sondern eine Chance.

Die letzte Frage, die man sich stellen muss, ist wohl die: Wie schaut Europa aus, sollte diese Verfassung nicht beschlossen werden? Stellen wir uns vor, in welche Situation Europa kommen würde: Europa würde in eine seiner schwierigsten Phasen und wahr­scheinlich Krisen eintreten.“ Wir sollten es uns aber nicht leisten, „dass Europa in eine Krise kommt, sondern wir sollten danach trachten, dass Europa tatsächlich hand­lungsfähiger wird.“ – Das ist es, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Jetzt sage ich sehr offen – und ich meine das überhaupt nicht polemisch –: Deswegen brauchen wir keine „Kehrtwendung“ in der Europapolitik, sondern wir brauchen konse­quentes Hinarbeiten darauf, dass diese Eckpunkte der Verfassung gesichert werden, dass sie auch in die Praxis der Europäischen Union einfließen und damit den euro­päischen Bürgern einen Mehrwert für Sicherheit, für Freiheit, für sozialen Wohlstand und für Gerechtigkeit geben. Dafür sollten wir gemeinsam kämpfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich gebe Ihnen Recht: Das Schlimmste wäre monatelange Agonie! Aber ich frage: Wie ist die Forderung Ihres Klubobmannes zu verstehen: sofortiger Ratifizierungsstopp!, sofortiger Erweiterungsstopp!, alles abbrechen, alles auf die Pausetaste drücken!? – Genau das führt ja zu einer monatelangen Agonie!

Sie haben nicht polemisiert, aber wenn Sie jetzt den Kompromiss, den die Luxem­burger Präsidentschaft sehr sorgfältig ausgearbeitet hat und über den man natürlich von vielen Seiten her immer diskutieren kann, von vornherein in Frage stellen, was ist die Folge? – Monatelange Agonie! Wenn wir etwas weiterbringen und zeigen wollen, in


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