Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 76

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12.27.54

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich finde es be­drückend, dass wir 60 Jahre nach Kriegsende, 60 Jahre nachdem der Nationalsozialis­mus zusammengebrochen ist, hier ein Gesetz beschließen müssen, um zu verhindern, dass ein Bundesrat Bundesratspräsident wird, der uneinsichtig, geschichtsverdrehend zu den Ereignissen vor 1945 Stellung genommen hat.

Wenn er gesagt hat, es habe damals eine brutale Naziverfolgung gegeben, sollte man hier auch in aller Deutlichkeit feststellen: Es war richtig, dass nationalsozialistische Verbrecher vor ein Gericht gestellt wurden, und ebenso, wenn erwiesen war, dass sie diese Verbrechen begangen haben, dass sie auch verurteilt wurden. Das muss man hier einmal ganz deutlich sagen. Es war richtig! (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP, den Grünen sowie des Abg. Scheibner.)

Es ist richtig: Dieser Krieg von Adolf Hitler war ein rassistisch motivierter Angriffskrieg. Es ist richtig: Der Nationalsozialismus war eine menschenverachtende und gegen die Demokratie gerichtete Ideologie und hat Millionen und Abermillionen Tote zu verant­worten gehabt in den Konzentrationslagern, in Konzentrationslagern auf dem Gebiet des Dritten Reiches, in denen es Gaskammern gab. Noch immer gibt es hier im Haus einen Abgeordneten, der sagt, auf dem Gebiet des Dritten Reiches habe es keine Gas­kammern gegeben. Daher ist es richtig, wenn die Staatsanwaltschaft hier gemäß dem Verbotsgesetz Ermittlungen führt, und wir hoffen, dass es hier endlich zu einer Verur­teilung kommt. (Allgemeiner Beifall.)

Wer so ein Geschichtsbild wie Herr Kampl hat, der darf nicht Bundesratspräsident wer­den! Wir waren darüber hinaus der Meinung, es wäre besser, es gäbe ihn überhaupt nicht hier im Haus. Es wäre auch besser, Herrn Gudenus gäbe es nicht hier im Haus. Ich unterstreiche nach wie vor die Aufforderung, dass diese beiden ihre Mandate zurückzulegen haben.

Ich habe weiters kein Verständnis für die Aussagen des Herrn Freunschlag, des Kärnt­ner Landtagspräsidenten, der sich ebenfalls der Äußerung Kampls angeschlossen hat.

Ebenso – auch wenn ich verstehen kann, wie verärgert Sie waren, Herr Tancsits; dafür habe ich Verständnis – kein Verständnis habe ich für Ihre Aussage, dass Sie dem Staat Österreich einen Bundesrat Kampl „vergönnen“. (Abg. Großruck: Da ist schon ein gewaltiger Unterschied!) Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass der Herr Bun­deskanzler Sie verteidigt hat. Das möchte ich auch noch dazusagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Noch etwas muss klar sein: Es gibt so etwas wie eine culpa in eligendo, und daher muss man sich meiner Meinung nach schon die Frage stellen: Wie konnten Personen wie Gudenus und Kampl und andere überhaupt auf eine Liste kommen und hier in die­ses Haus Eingang finden? Schließlich muss dieses ihr Verständnis ja bekannt gewe­sen sein. – Ich kritisiere das, und diese Kritik geht insbesondere an die Adresse Jörg Haiders, der ja für diese Auswahl eine Hauptverantwortung zu tragen hat. Man wird in Zukunft im Interesse des Ansehens dieses Hauses sorgfältiger vorgehen müssen, wenn einem dieses Ansehen ein Anliegen ist.

Ich finde es auch bedauerlich, dass durch diese Aussagen nicht nur das Ansehen des Parlaments, der Demokratie und Österreichs in Mitleidenschaft gezogen wurde, son­dern dass das auch just im Jahr der Gedanken und der Gedenken all der Ereignisse, die vor 60 Jahren passiert sind, erfolgt ist. Das wird für Österreich auf längere Zeit einen schweren Schaden bedeuten.

Wir haben uns daher gemeinsam, alle vier hier im Hause vertretenen Parteien, zu die­ser Anlassgesetzgebung entschlossen, die politisch, moralisch gerechtfertigt ist, zu der


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