Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Es ist eine Anlassgesetzgebung, das sei hier zugegeben, weil auch darüber diskutiert wird, dass man Anlassgesetzgebung vermeiden sollte. Ja, man sollte sie vermeiden, wenn es nicht einen Anlass gibt, der diese Anlassgesetzgebung rechtfertigt, aber der Anlass ist im gegebenen Fall zweifellos vorliegend.

Ich glaube, dass diese Regelung sinnvoll und gut ist, wie das auch Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer schon klar zum Ausdruck gebracht hat. Sie wahrt das Recht des freien Mandates. So scharf zu kritisieren die Aussagen des Bundesrats Kampl auch gewesen sind, muss man beziehungsweise darf man trotzdem keine Regelung einfüh­ren – die auch in Diskussion gewesen ist –, die es politischen Parteien ermöglicht, egal welcher Couleur und welcher Richtung, in das freie Mandat aus welchen Gründen auch immer einzugreifen. Dadurch würde man eine Türe aufmachen und nicht wissen, wer durch diese Türe geht und was hinter dieser Türe ist.

Ich meine, dass unser Entschluss richtig war. Das freie Mandat bleibt gewahrt, aber es gibt Flexibilität bei der Reihung der Bundesräte. Die Kompetenz bleibt bei den Ländern und wird nicht auf den Bundesrat delegiert, und damit ist klargestellt, es ist ein Unter­schied zwischen dem frei gewählten Mandat eines Mandatsträgers und einer der höchsten Funktionen des Staates wie dem Präsidenten des Bundesrates.

Ich möchte meinem Vorredner Recht darin geben, dass wir wachsam sein müssen, dass es einen Konsens aller demokratischen und politischen Kräfte geben muss, dass wir ohne Augenzwinkern klar zum Ausdruck bringen müssen, dass jede Verharm­losung, ob sie jetzt so gemeint war oder nicht, jedes Relativieren der nationalsozialis­tischen Verbrechen auf das Schärfste zurückgewiesen werden muss – egal von wem es gemacht wird, egal aus welcher Motivation heraus, egal wo und egal wie! Diesen Konsens überall zu unterstützen ist unsere Verantwortung. (Allgemeiner Beifall.)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich kenne Bundesrat Kampl schon seit vielen Jahren. Ich bin überzeugt, dass er meilenweit davon entfernt ist, nationalsozialistisches Gedanken­gut zu unterstützen. Ich kenne auch seinen persönlichen Hintergrund, den er in dieser Bundesrats-Rede – wenn man sie im Zusammenhang liest – auch zum Ausdruck gebracht hat. Keine Frage. Aber – und das ist das Aber! – als politischer Repräsentant ist man auch dafür verantwortlich, was man sagt, wie man es sagt, und auch dafür, wie eine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt werden kann, was sie dann aussagen und bedeuten könnte. Deshalb sage ich an dieser Stelle auch klar, dass diese Aussagen inakzeptabel und falsch gewesen sind. Der Rücktritt, den Kampl zuerst angeboten hat, es sich dann leider anders überlegt hat, wäre die richtige Konsequenz gewesen.

Auch hier wird darüber diskutiert, auch von den Vertretern aller Couleurs. Wie von den verschiedenen Organisationen diskutiert wird, können wir nicht beeinflussen, aber wir können Signale geben von der Spitze des Staates her. Daher sage ich noch einmal: In den Diskussionen – gerade erst wurden aus Anlass des 60-Jahr-Jubiläums sehr viele Veranstaltungen abgehalten – muss dieses „Nie wieder!“ im Vordergrund stehen: Nie wieder in die Versuchung kommen, Tendenzen aufkommen zu lassen, wie wir sie in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gehabt haben!

Es darf auch keine Diskussion „einerseits – andererseits“ geben, wie wir das schon so oft gehört haben. Es darf keine Diskussion darüber geben: Was ist Meinungsfreiheit? Welche Relativierungen gibt es denn hier? Es darf auch keine Möglichkeit geben für die Gott sei Dank wenigen Ewiggestrigen, dass sie sich bei ihren Schmuddelreden in irgendwelchen Hinterzimmern auf Aussagen – auch wenn sie aus dem Zusammen­hang gerissen sind – von Spitzenrepräsentanten und Abgeordneten berufen können.

Es darf auch keine „historischen Debatten“ geben – unter Anführungszeichen – durch politische Mandatare, die Entsprechendes aussagen könnten, sondern es darf nur den


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite