Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 61

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samt, und dass sich alle drei großen Gründernationen der Union – Frankreich, Deutschland und Italien – in einer ähnlichen Lage befinden.

Na und? Dann nehmen eben die großen Gründernationen der EU ihre ursprüngliche Aufgabe nicht wahr. Wenn hier ein Führungsvakuum entstanden ist, dann müssen andere Politiker und andere Nationen in dieses Vakuum gehen, von mir aus stolpern. Ob Tony Blair der Richtige ist, das wird man sehen. Seine Rede vor dem Europäischen Parlament am 23. Juni, glaube ich, war ausgezeichnet. Aber es war Tony Blair, der sie gehalten hat – und seit wann ist Großbritannien der Verfechter der Vertiefung der Union? Seit wann hat Großbritannien in der Wahl zwischen einer transatlantischen Bruderschaft und der kontinentalen Verknüpfung eine Wahl zugunsten des europäi­schen Kontinents getroffen? – Also das wird man sehen. An und für sich meine ich, dass dieses Führungsvakuum auf europäischer Ebene für die österreichische Präsi­dentschaft ja nicht das Schlechteste ist: Es schraubt die Erwartungen in gewisser Weise herunter. Wenn selbst Juncker, ein überzeugter und erfahrener Europäer, mit der luxemburgischen Präsidentschaft gescheitert ist, dann kann das sozusagen jedem passieren. Und umgekehrt: Wenn etwas Gutes für Europa dabei herauskommt, dann wird sich natürlich unsere Führungsmannschaft, insbesondere in der ÖVP, das zu­schreiben. – Das interessiert mich heute nicht. Mich interessiert die europäische Ent­wicklung.

Die Finanzfrage. – Also ich finde es schon etwas eigenartig, Herr Spindelegger: Zuerst wettern Sie über die SPÖ – da konnte ich Ihnen ja innerlich zustimmen, was Ihre Kritik an der Kleinkrämerei hinsichtlich der österreichischen Beiträge betrifft –, und dann bringen Sie einen Antrag ein, der haargenau das Gleiche macht! Was soll das? In Ihrem ersten Punkt verlangen Sie von der Bundesregierung, weiterhin nachdrücklich für die Interessen Österreichs als Nettozahler einzutreten (Abg. Scheibner: Na si­cher!), insbesondere 1 Prozent und so weiter.

Wissen Sie, was meine Meinung dazu ist? – Hören wir auf mit dieser Kleinkrämerei! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eder.) Seien wir doch stolz darauf, dass Öster­reich in einer Nettozahlerposition ist, Kruzitürken! (Abg. Scheibner: Das ist aber jetzt ...!) Wäre Ihnen vielleicht lieber, dass Österreich in einer Nettoempfängerposition wäre, weil die wirtschaftliche Situation Österreichs so miserabel ist? Nein, wir sind ein wohlhabendes Land, wir sind stolz darauf, viele von uns haben dafür etwas geleistet, und deswegen werden wir auch bereit sein, etwas zu zahlen!

Ich persönlich habe viel mehr Sympathie mit dem Kommissionsvorschlag, den 1,2 Pro­zent des BIP, als mit den 1,0 Prozent, auf die sich die Volkspartei anscheinend jetzt wieder einschwört, nachdem Bundeskanzler Schüssel selbst vor wenigen Tagen, vor wenigen Wochen noch bereit war, auf rund 1,1 Prozent zu gehen. Ich finde das klein­krämerisch. Selbstverständlich ist am Budget Verschiedenes zu ändern, selbstver­ständlich wünschen wir uns eine Strukturveränderung innerhalb des europäischen Budgets zugunsten des ländlichen Raums – ja! –, zugunsten von Forschung und Ent­wicklung und ganz generell zugunsten einer stärkeren Wachstumsorientierung unter Berücksichtigung der ökologischen Nachhaltigkeit, so wie es in Lissabon vorgezeichnet ist. Aber was dieses Herumeiern wegen 0,1, 0,001 Prozent des BIP zugunsten – oder, in dem Fall muss man sagen: zum Nachteil der europäischen Sache betrifft, da ist die ÖVP mit diesem Punkt 1 des heutigen Antrags um kein Haar weniger kleinkrämerisch als die SPÖ. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Staatssekretär! Für die kommenden zwölf Monate wünschen wir Ihnen alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)

11.11

 


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