Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / Seite 148

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verschiedener Opfergruppen in einem „NS-Paket“ entspricht 60 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus keiner adäquaten politischen Vergangenheits­bewältigung.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Ihre Wunschredezeit beträgt 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


16.58.23

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal eine tatsächliche Berichtigung zur Kollegin Stoisits als Debattenbeitrag:

Wehrmachtsdeserteure haben, wie in der Moskauer Deklaration festgelegt, selbst­verständlich einen Beitrag dazu geleistet, dass Österreich vom Nationalsozialismus befreit wurde. Daher sind Wehrmachtsdeserteure, liebe Terezija, unabhängig davon, ob sie wegen einer Desertion von der NS-Militärjustiz verurteilt wurden, in unserem Artikel I § 2 des derzeit debattierten Gesetzes erfasst. Sie sind bereits erfasst! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Anerkennungsgesetz ist ein Maßnahmenpaket, das mehrere Teile hat, nämlich ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte, eine Erweiterung des Opferbegriffes im Opferfürsorgegesetz und ein Gesetz bezüglich einer Befreiungs-Erinnerungszuwendung an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherr­schaft.

„Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz“ – und ich zitiere hier den § 2 – „den Opfern derartiger Unrechtsurteile, insbesondere auch der Urteile der national­sozialistischen Militärjustiz, und anderer nationalsozialistischer Unrechtsakte, den Opfern der politischen Verfolgung, den aus ihrer Heimat Vertriebenen, allen Opfern des vom nationalsozialistischen Regime zu verantwortenden Krieges und jenen, die zu dessen Beendigung und zur Befreiung Österreichs beigetragen haben, insbesondere den Personen im österreichischen Widerstand, und ebenso deren Familien Achtung und Mitgefühl.“ (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben hier, 60 Jahre nach dem Krieg, einen sehr weiten Opferbegriff gewählt. Und es ist nicht gerechtfertigt, liebe Terezija, einzelnen Opfergruppen diese Achtung und das Mitgefühl zu verweigern oder es zu trennen oder zu differenzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist für uns eine nicht akzeptable Haltung, dass die Grünen und auch die Sozialdemokraten hier diesen weiten Opferbegriff ablehnen und eigentlich nur Deser­teure genannt haben wollen. Ein Vier-Parteien-Konsens war deshalb nicht erreichbar.

Ich halte die Differenzierung von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Opfern des Krieges für wissenschaftlich gerechtfertigt und für die Aufarbeitung der Geschichte und für die Sensibilisierung zu diesem Thema selbstverständlich für notwendig. Aber wenn der Gesetzgeber Opfern Achtung und Mitgefühl ausspricht, dann ist es gerechtfertigt, wenn man den Opferbegriff sehr weit fasst.

Als besondere Geste der politischen und moralischen Rehabilitierung wird daher von den Regierungsfraktionen allen Opfern, den Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz und der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes sowie den Personen, die dem Ungeist des Nationalsozialismus widerstanden haben und ihm im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die verschiedenste Art und Weise


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