Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / Seite 163

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Diese „Rechtskontinuität“ war also mit ein Argumentationsstrang, den auch ich hier in diesem Hause noch gehört habe. – Das sagt aber mittlerweile zum Glück niemand mehr, sondern es wird anerkannt, dass in der NS-Zeit schwule Männer und lesbische Frauen – neben vielen anderen – verfolgt wurden, dass Homosexualität nicht nur ver­boten war, sondern dass Menschen deswegen – oder auch nur wegen vermuteter Homosexualität – in Konzentrationslager gesperrt und dort umgebracht wurden.

Es gibt jedoch noch einen anderen Argumentationsstrang, nämlich den, mit dem gerade uns Grünen, aber auch so mancher lesbisch-schwulen Aktionsgruppe immer wieder unterstellt wurde: Ihr wollts das ja nur thematisieren, weil ihr insgesamt mehr Rechte für Lesben und Schwule wollt! – Dass wir beides wollen, auch wir von den Grünen, das ist bekannt, aber eine Anerkennung des Leides dieser Menschen im Opferfürsorgegesetz zu verweigern, weil man vielleicht befürchtet, dass dann andere Themen – so zum Beispiel die Abschaffung der Strafbarkeit, die mit dem § 209 StGB noch lange gegeben war; auch die Gleichstellung im Bereich von Lebens­gemein­schaften – automatisch in den Vordergrund rücken, ist eine geradezu unglaubliche Unterstellung! Damit zu argumentieren, dass Lesben und Schwule im Opferfürsorge­gesetz nicht anerkannt werden sollen, ist wirklich eine arge Unterstellung, eine Unterstellung, gegen die ich nur massiv Protest einlegen kann!

Im Februar oder März dieses Jahres gab es im Sozialausschuss, als wir wieder einmal unseren entsprechenden Antrag auf der Tagesordnung hatten, folgende „Argumen­tation“ – diese kam, wenn ich mich richtig erinnere, von Ihnen, Herr Kollege Tancsits –: Na ja, schau’n S’, wenn einer/eine daherkommt, der/die jetzt noch lebt und als Opfer anerkannt werden will, werden wir niemanden zurückschicken; auch diese Person wird als Opfer anerkannt werden! Aber, so Tancsits weiter, wir wollen nicht noch einzelne Gruppen extra nennen! – Das war etwa nach dem Motto: Wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle Gruppen einzeln nennen?!

Das waren damals Sie, Herr Kollege Tancsits. Ich bin ja froh darüber, dass Sie das heute nicht mehr sagen und dass es diese Regierung doch geschafft hat, sich endlich dazu durchzuringen, auch diese Opfer, die damals mit einem „schwarzen Winkel“ versehen waren, die so genannten Asozialen, und die Menschen mit dem „rosa Winkel“, die schwulen Männer, anzuerkennen.

Herr Kollege Tancsits, Sie haben die „HOSI Wien“ als „radikale Gruppe“ bezeichnet. Ich sage Ihnen dazu: Wenn Sie eine Gruppe, die sich, wie viele andere, seit Jahr­zehnten dafür einsetzt, dass die lesbischen und schwulen Opfer im Opferfürsorge­gesetz anerkannt werden, dass in Österreich die strafrechtliche Verfolgung von schwulen Männern endet, wenn Sie eine Gruppe, die sich dafür einsetzt, dass es eine rechtliche Gleichstellung gibt, als „radikal“ bezeichnen, dann würde ich das eher als Lob verstehen und sagen: Ja, dann sind das eben „Radikale“! Ganz offensichtlich sind Sie nicht bereit, diese Schritte tatsächlich zu setzen.

Dass dann diese Gruppen – eben angesichts einer Argumentation der Regierungs­fraktionen hier in diesem Hohen Hause, die sowohl deren Anerkennung als auch Gleichstellung immer nur aufschieben, aufschieben und aufschieben – darauf emotio­nal reagieren, ist doch nur verständlich, Herr Kollege Tancsits! Genauso wie Ihre Reak­tion darauf emotional verständlich ist. Das heißt aber nicht, dass ich Ihre Argumen­tation für verständlich halte. Die war es nämlich nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Nun kann ich nur festhalten, dass ich es anerkenne und wichtig finde, dass es jetzt endlich – nach all diesen Argumentationsschienen, die es da über Jahre, ja über Jahrzehnte gegeben hat, nach dieser überaus langen Verweigerung der Anerken­nung – nicht nur eine Duldung dieser Opfer gibt, sondern dass sie auch genannt werden, genauso, wie wir das bei den Wehrmachtsdeserteuren auch gerne gehabt


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