Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 120. Sitzung / Seite 25

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sozialismus gemacht hat und dabei nicht von dem Anspruch geleitet war, wie Klub­obmann Molterer richtig sagte, Rache zu üben, sondern für Gerechtigkeit zu sorgen.

Und er hat dabei, wie man sich vorstellen kann, wenn man die österreichische Ge­schichte kennt, nicht immer Zuspruch gefunden, sondern vieles von dem, was er getan hat, hat er gegen den Widerstand öffentlicher Meinung, teilweise gegen den Wider­stand veröffentlichter Meinung und auch gegen den Widerstand der Politik getan. Daher war sein Wirken außerordentlich mutig und außerordentlich wichtig, in einer Zeit, als viele das verdrängen wollten.

Vielleicht ist die heutige Bereitschaft, sich offener mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, mit dem Wirken vieler Persönlichkeiten verbunden. Aber ich glaube, dass die Saat des Wirkens von Simon Wiesenthal darin aufgeht, indem wir uns heute offener und aufrichtiger der Vergangenheit stellen.

Es wird Ihnen schon oft in Gesprächen mit Menschen untergekommen sein, dass sie sagen: Wieso hört ihr nicht endlich mit der Vergangenheit auf? Das ist lange her. Sollten wir hier nicht endlich einen Schlussstrich ziehen? – Dahinter liegt offensichtlich das Bedürfnis, die peinigenden Kapitel unserer dunklen Vergangenheit endlich hinter uns zu lassen. Ich meine, die Antwort von Demokraten muss immer sein: Wir können hier keinen Schlussstrich ziehen, denn nur dann, wenn man sich des Grauens und seiner Ursachen erinnert, wird man imstande sein, auch zeitgenössischen Gefahren des Rassismus, des Antisemitismus und anderer Tendenzen entgegenzutreten.

Daher ist es wichtig, dass man einer Persönlichkeit wie Simon Wiesenthal am heutigen Tag gedenkt, dass man in Erinnerung hat, dass der Kampf um die Aufarbeitung der Geschichte nicht etwas ist, was selbstverständlich geschehen ist, sondern was im Wesentlichen das Verdienst solcher Persönlichkeiten wie Simon Wiesenthal war. Wir sind ihm alle zu großem Dank verpflichtet.

14.15

 


14.15.20

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Simon Wiesenthal hat zwölf Konzentrationslager überlebt. Er hat den Holo­caust erlebt und überlebt und hat sein restliches Wirken damit verbracht und sich selbst dafür eingesetzt, Kriegsverbrechen aufzuklären, der Kriegsverbrecher habhaft zu werden und auch nachfolgende Generationen über dieses dunkelste Kapitel unserer jüngeren Geschichte zu informieren und aufzuklären.

Er wurde dafür auch kritisiert, zum Teil auch von höchsten Repräsentanten dieses Staates. Wenn man sich mit der Geschichte, auch der Nachkriegsgeschichte Öster­reichs auseinander setzt – man braucht nur die Ministerratsprotokolle der Nachkriegs­jahre nachzulesen, man muss sich nur vergegenwärtigen, welche Karrieren auch hochrangige Nationalsozialisten in dieser Zeit gemacht haben –, dann weiß man, dass diese Zeit damals eine sehr, sehr schwierige Phase der wirklichen, der ehrlichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels war.

Zwei Grundsätze sind es, die uns Simon Wiesenthal, aber auch andere, die in diesem Sinne gewirkt haben, weitergegeben haben. Der erste Grundsatz: Wenn man derartige Verbrechen, Diktaturen, Menschenrechtsverletzungen, Massenmord und Völkermord – vor allem auch die Opfer dieser schrecklichen Ereignisse – wirklich aufarbeiten können soll, dann muss man auch zeigen, dass die, die diese Schrecken verursacht haben, auch zur Verantwortung gezogen werden und nicht irgendwo untertauchen oder vielleicht sogar in hohe Positionen kommen können.

 


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