Identitäten – und Flaggen gehören zu den Identitäten der Mitgliedstaaten dazu – gleichberechtigt ein sehr buntes, farbenfrohes Bild Europas zeichnen.
Das ist, glaube ich, auch zugleich ein
Programm: Es darf nicht ein Europa sein, bei dem, wie es jetzt diskutiert wird,
sechs Große den Ton angeben, und die anderen haben zu folgen oder müssen
folgen, dürfen nicht einmal Fragen stellen – sondern ein
gleichberechtigtes, demokratisches, die Würde und die Eigenart der
verschiedenen Mitgliedstaaten berücksichtigendes Europa. Das ist unser Ziel.
Das heißt Farbe, das heißt Leben, und das heißt auch, glaube ich, Bereicherung
für die Bürger, ein Europa, das Sie alle wollen und das wir auch letztlich im
Sinne gehabt haben, als wir vor zehn Jahren beigetreten sind. (Beifall bei
der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich halte diese Europadiskussion für sehr sinnvoll, weil sie einfach die Möglichkeit gibt, sehr konzentriert über wichtige Themen zu reden, die Österreich, seine Arbeitnehmer, seine Unternehmer, Investoren, den ländlichen Raum berühren. Und letztlich, man kann es prozentmäßig nicht genau feststellen, aber ich würde doch sagen, mehr als die Hälfte dessen, was heute das Leben der Menschen prägt, wird nicht nur im österreichischen Parlament oder in der österreichischen Regierung, sondern auch im Europaparlament, auch in der Kommission, auch im Europäischen Rat oder in den verschiedenen Ratsformationen entschieden. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Zusammenhänge auch deutlich machen. Was in Straßburg oder in Brüssel im Parlament oder bei den verschiedenen Ratsformationen, informell in den Mitgliedsländern oder in Brüssel oder in Luxemburg geschieht, berührt uns, ist mit unsere Entscheidung und sollte daher auch durchaus in einem hoffentlich europäischen Geist besprochen werden.
Europa hat derzeit keine gute Presse – das muss man ganz offen sagen. Sieht man die verschiedenen Umfragen über: Wie populär ist die Union?, Ist sie eine gute oder eine schlechte Sache?, Soll man dazugehen oder nicht?, dann sieht man deutlich, dass es sehr viel Skepsis, sehr viele Vorbehalte bei den Menschen gibt, und zwar nicht nur in Österreich, sondern, so glaube ich, in sehr vielen europäischen Ländern.
Die Antwort auf die Frage, was man machen soll, ist nicht so einfach. Der Stein der Weisen ist noch nicht gefunden, und es ist wahrscheinlich auch bei diesen verschiedenen Sorgen immer ein Bündel von Motiven, die eine Rolle spielen. Wenn wir etwa die beiden Referenden in Holland und in Frankreich hernehmen, die sozusagen einen Schock – manche sagen: einen heilsamen Schock; ich sage das nicht, aber es war ein Schock – in der Verfassungsdebatte dargestellt haben, dann sieht man auch hier dieses Bündel von Motiven.
Ich denke – und das ist zentral das heutige Thema, mit dem wir beginnen –, ein großer Teil der Sorgen der Menschen ist darauf zurückzuführen, dass sie nicht das Gefühl haben, dass Europa genug tut, um sie zu schützen. Europa muss nützen und Europa muss schützen: den eigenen Arbeitsplatz, die Wettbewerbsfähigkeit, die Sicherheit garantieren – militärisch, in der inneren Sicherheit –, ein starkes Gewicht, eine starke Stimme in der Welt sein. Und viele Menschen haben das Gefühl angesichts von 19 Millionen Arbeitslosen in ganz Europa – auch in Österreich 220 000 im August; das ist zwar weit weniger, als unser Bevölkerungsanteil ergeben würde, aber es ist viel, keine Frage, und daher die Skepsis der Menschen –: Tut Europa genug?
Was nun die Frage betrifft: Was sind die Rezepte dazu?, so denke ich, dass schon manche Elemente der Diskussion in die richtige Richtung gehen. Dass etwa der neue Kommissionspräsident eben nicht 25 Schwerpunkte aufgezählt hat, sondern gesagt hat, für die nächste Zeit müssen wir uns besonders auf Wachstum und Beschäftigung konzentrieren, halte ich für sinnvoll, denn zuallererst, um die anderen Dinge auch finanzieren zu können und zu ermöglichen, brauchen wir das: mehr Wachstum, wie