Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 9

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schwaches Europa die Antwort auf die Stärke von China, Indien, Asien, USA ist, dann täuscht er sich gewaltig. Wir brauchen ein starkes Europa, weil nur ein starkes Europa etwa bei der WTO-Konferenz in Hongkong Gegengewicht sein kann gegen die USA oder die asiatische Entwicklung. Wir brauchen ein starkes Europa, wenn ich etwa an die Frage Forschung und Entwicklung denke, und gerade ein kleines Land wie Öster­reich, eine kleine offene Volkswirtschaft, braucht dieses starke Europa besonders. Wenn man es salopp formulieren will: Die Großen können es sich richten, aber wir brauchen gerade als kleine offene Volkswirtschaft dieses Europa.

Offen gesagt, meine Damen und Herren: Haben wir das immer? – Ich bezweifle es. Wenn in Europa beispielsweise jeder tut, was er will, ist das nicht eine Stärkung Europas. Oder: Wenn beispielsweise bei der Frage Stabilitätspakt die Diskussion eigentlich nur darum geht, wie man ihn weicher machen kann, statt die Frage zu stellen, wie man ihn konsequent umsetzen soll, dann ist das kein Beitrag zur Stärkung Europas. Ganz im Gegenteil.

Diese Klarheit in den Antworten braucht Europa auch in kritischen Fragen. Ich bin sehr dankbar, dass Bundeskanzler Schüssel und Ursula Plassnik auch in einer sehr heiklen Frage – in der Frage des Beitritts der Türkei – diese klare Sprache sprechen: Ja zu Verhandlungen, aber genauso ja zu Alternativen zur Vollmitgliedschaft und zur Frage, ob Europa aufnahmefähig ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wachstum und Beschäftigung erfordern aber auch das Zusammenspiel zwischen den europäischen Institutionen und den Mitgliedstaaten. Ich denke, Österreich hat hier Vorbildliches geleistet: mit den Konjunkturpaketen, Wachstums- und Standortpaketen, Steuerreform I und II oder etwa mit dem gestern beschlossenen Beschäftigungspakt und Beschäftigungspaket und der Infrastrukturoffensive.

In diesem Sinne denke ich, dass wir auch dieses Programm, diese Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung mit Europa ausbauen werden. Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen, Arbeitsmarktoffensiven, Forschung und Entwicklung, Infrastruk­tur, Standortsicherung und Mittelstandsoffensive, Bildung und Weiterbildung sowie Nachhaltigkeit in der Umweltpolitik und in der Ressourcenbewirtschaftung – das sind unsere Schwerpunkte für dieses Programm, meine Damen und Herren.

Dieses Programm Wachstum und Beschäftigung bedeutet gleichzeitig die Verteidigung und die Sicherung des europäischen Lebensmodells. Und das ist mir hier sehr wichtig: Es geht nicht nur um die nackten Zahlen, um nackte Millionen- oder Milliarden-Euro-Beträge, nein, es geht um viel mehr. Dieses europäische Lebensmodell bedeutet für mich, aus der wirtschaftlichen Stärke Europas soziale Verantwortung leben, die Voll­beschäftigung als Ziel formulieren und die nachhaltige Erntwicklung sichern. Dieses Europa wollen und brauchen wir! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht über­steigen. – Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.

 


9.19.14

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir eine Freude, vor dem Logo der österreichischen Präsidentschaft, dem von Rem Kohlhaas entworfenen Symbol – und ich glaube, es ist ein sehr sinnvolles Symbol –, diese Europadiskussion mit führen zu dürfen. Der Sinn und die tiefere Bedeutung dieses Symbols ist, dass hier eben nicht ein abstraktes Motiv gewählt wurde, sondern die


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