Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 31

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paar Einsprengseln nationalstaatlicher Kompetenzen und damit auch mit österreichi­schen Ausrichtungen in den Politikfeldern beschäftigen.

Ich finde dieses Thema tatsächlich sehr ambitioniert und mehr als berechtigt, und es ist auch gut, wenn es als erstes hier auf der Tagesordnung steht. Klubobmann Molterer hat sogar ausdrücklich von „Vollbeschäftigung“ gesprochen. Ich halte auch das für begrüßenswert, wenn die Begrifflichkeiten wieder in diese Richtung betont werden.

Jetzt haben wir, wenn wir mit der europäischen Ebene beginnen, aber gleichzeitig das Problem, dass gerade, was den so genannten Lissabon-Prozess betrifft, in erster Linie Zielformulierungen vorgenommen werden. – So weit, so gut.

Auf der Maßnahmenebene tauchen aber ganz große Probleme auf. Ich leiste mir jetzt den Luxus, auch darüber nachzudenken, warum das auch in so einem Gebilde wie der Europäischen Union sein muss und was allenfalls dagegen getan werden kann.

Zu den Zielen „Vollbeschäftigung“ oder etwa auch zu den Subzielen, die formuliert werden, zu all den Berichten, die wir haben, möchte ich sagen: Wenn man es böswillig betrachten wollte, müsste man meinen, dass das eine Sammlung von Überschriften ist. Wir haben ja schon etliche Dinge gehört. Selbst die so genannten Leitlinien sind immer noch Beschreibungen von mehr oder weniger erreichbaren Zwischenzielen.

Aber auf der Maßnahmenebene ist das viel schwieriger, und das hat auch seinen guten Grund: Die Europäische Union ist nämlich keine Vereinigung wie die Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel, wo im Prinzip die ganz großen Politikbereiche insgesamt über die Vereinigten Staaten gestaltet werden. Es gibt zwar viele nationale und bundesstaatliche Differenzierungen, aber bei weitem nicht so, wie wir das in der Europäischen Union vorfinden.

Wenn wir aktuell 25 Regierungen haben, die auf demokratischem Wege zustande gekommen sind, aber die in aller Regel nicht alle der gleichen ideologischen Fun­dierung entsprechend ausgerichtet sind, dann haben wir einfach das Problem zu gewärtigen, dass es welche gibt, die meinen – ich versuche das jetzt möglichst neutral zu formulieren –, dass es mehr Sinn macht zur Erreichung des Vollbeschäftigungs­zieles und auch des Wachstums als Voraussetzung, auf öffentliche Investitionen zu setzen, und dass es andere gibt, die wieder sagen: Nein, der Staat ist überhaupt Teil des Übels, zumindest wenn er zu sehr in die Wirtschaft eingreift! So ist es dort an dieser Stelle formuliert.

Wenn es aber so ist, dass wir immer mindestens zehn Regierungen in der einen Ecke haben und 15 in der anderen, möglicherweise einmal umgekehrt, dann kann man daran schon erkennen, wie schwierig die Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken auf europäischer Ebene zwangsläufig sein muss. Deshalb ist das ausgearbeitete Papier bei den Maßnahmenbeschreibungen immer relativ dünn, denn worauf sollen sich die 25 Regierungschefs oder die Ministerräte so ohne weiteres einigen.

Jetzt würde man meinen, das müsste auch – nicht zwingend – zu einem europäischen Zentralstaat führen, wenn die Analyse richtig ist. Aber es ist doch ein Hinweis darauf, zum Beispiel dem Europäischen Parlament im Zuge der Rahmenvorgaben, wo es auch auf die Maßnahmenebene dann runtergeht, mehr Kompetenzen zu geben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich bin mir ziemlich sicher, dass das schon umstritten sein wird.

Aber es könnte sich ein anderer Ausweg auftun. Es gibt eben nicht nur eine euro­päische Tradition, und zwar nicht nur in der kulturellen Sicht des Abendlandes und in der Sicht dessen, was wir uns da immer dann schöngeistig zurufen, sondern es gibt auch eine Tradition in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

 


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