Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 66

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wird er es sich in sechs oder sieben Jahren erstreiten können, oder er ist ein normaler österreichischer Konsument, dann wird er auf den Rechtsweg verzichten müssen, weil er ihn sich nicht leisten kann und weil es sich wegen einiger hundert Euro auch nicht auszahlt, sich die Nerven über Jahre zu ruinieren.

Wir haben daher alles Verständnis, dass die Harmonisierungsschritte eine Conditio sine qua non sind, um die Dienstleistungsrichtlinie in Europa erfolgreich zu machen, und dass die Zusammenarbeit zwischen den Behörden auch entsprechend funk­tionieren muss, weil ansonsten die ordnungsgemäß produzierenden Betriebe, egal, ob Klein- oder Großbetriebe, diejenigen sein werden, die zugunsten jener, die Dumping­löhne und das neue System ausnützen, aus dem Markt verdrängt werden. Und das wollen wir nicht.

Daher haben wir im Rahmen dieser Dienstleistungsrichtlinien hier auch entsprechende Vorsorge und Vorkehrungen zu treffen. Noch ist es Zeit. 1 100 Abänderungsanträge liegen zu dem seinerzeitigen Bolkestein-Papier ohnehin auf dem Tisch, und die Linie, die Bolkestein vertreten hat, wird Gott sei Dank auch von seinen Nachfolgern heute so nicht mehr gesehen, weil der europäische soziale Frieden neben dem Wirtschaftsraum Europa, auch durch die österreichische Präsidentschaft der Vergangenheit, einen höheren Stellenwert bekommen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass wir die Diskussion hier durchaus seriös und zukunftsträchtig führen können, weil es auch noch Zeit ist, unsere Argumente und unsere Verbes­serungs- und Harmonisierungsvorschläge einzubringen und auch das gesamte Procedere für die nächsten zwei bis drei Jahre so zu gestalten, dass das, was an Ängsten und an Sorgen am europäischen Markt vorhanden ist, dann nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß eintritt.

Schauen wir uns die heutigen Verhältnisse an. Ich komme aus dem Bezirk Spittal an der Drau und konnte dort beobachten, dass im letzten Jahr im Arbeitsmarktbezirk Spittal an der Drau bei den Bauleiharbeitern immerhin 360 Mitarbeiter den ganzen Som­mer über bei polnischen Firmen gearbeitet haben. Im ersten Monat haben sie ihr Gehalt ausbezahlt bekommen, im zweiten Monat haben sie ein Akonto erhalten – und im dritten Monat haben sie gar nichts mehr bekommen. Eine Endabrechnung haben sie auch nicht mehr bekommen, weil die betreffenden Firmen nicht mehr zu finden waren. Heute sind die Arbeitnehmervertretungen im zweiten Jahr unterwegs, die Löhne über Rechtsverfahren in Polen sicherzustellen. Ob das gelingen wird, weiß man nicht, denn die Verbrecher sind schneller als der Rechtsstaat.

Daher hat der Rechtsstaat dafür zu sorgen, dass die Sorgen und die Ängste, die in der Bevölkerung vorhanden sind, so ernst genommen werden, dass zumindest die Rechtsinstrumente des europäischen Rechtsstaates von vornherein auch funktionie­ren. Dazu gehört aber auch, dass endlich die gesamten Sozialbereiche nicht nur in ihren Benchmarks und in ihren Statistiken, sondern auch in ihren Mindestniveaus angeglichen werden, und zwar nach oben hin, um nicht falsch verstanden zu werden. Es kann nicht sein, dass wir uns in Österreich gemeinsam mit der österreichischen Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten erfolgreich um den Arbeitnehmerschutz bemüht haben, dass wir bei einer Zahl von unter 100 000 Arbeitsunfällen sind, dass wir die Sterberate am Arbeitsplatz gesenkt haben, dass aber auf der anderen Seite die psychischen Belastungen heute schon die Frühpensionierungsgrundlage Nummer eins sind und der Druck auf den Einzelnen – egal, ob Unternehmer, Kleinunternehmer oder Arbeitnehmer – schon so hoch ist, dass wir auch hier präventiv tätig werden müssen.

Wenn es in der Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung heißt, dass Prävention wichtig ist, dann muss Prävention auch in diesem Bereich bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene wichtig sein. Man sollte nicht wie bei der Erweiterung um die Zehn


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