Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 75

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die Arbeitgeber, für die Arbeitnehmer, für die Konsumenten, für die Behörden die Rechtssysteme der Herkunftsländer und nicht der Zielländer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was heißt das? – Stellen Sie sich ein Fußball-Länderspiel vor, wobei in jedem Land unterschiedliche Spielregeln gelten. Da treffen zwei Vereine aufeinander, und es gelten jeweils die Herkunftsregeln. Die einen organisieren den Strafstoß so, dass bei sieben Metern geschossen wird, die anderen bei elf Metern. Die einen schließen jemanden bei zwei roten Karten aus, die anderen bei vier roten Karten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie können sich vorstellen, was am Ende dieses Spiels herauskommt: Das ist Chaos pur! Zudem wird sich in diesem Zusammenhang auch nur der Stärkere durchsetzen. Und dagegen treten wir auf. Dieses Beispiel verdeutlicht das ganz klar. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wer sich beim Fußball nicht auskennt, hat jetzt ein Problem!)

Die meisten kennen sich im Fußball schon aus. Die wissen auch, dass es notwendig ist, harmonisierte, gleichwertige Regel für alle zu haben, damit ein Spiel funktionieren kann. Und Wettbewerb in Europa funktioniert nur dann, wenn der Wettbewerb auch gleich geregelt ist. Daher ist unser Ansatz nicht dieses Herkunftslandprinzip, sondern die Harmonisierung. Was passiert denn durch diese Dienstleistungsrichtlinie? – Es entsteht rechtliche Unsicherheit, es entsteht Intransparenz, und die Kontroll­mög­lichkeiten werden erschwert. Und was ist die Konsequenz? – Es wurde heute schon mehrfach gesagt: Die niedrigsten sozialen und ökologischen Standards werden sich durchsetzen. Der Installateur, der keine Zutrittsbeschränkungen hat, was die Qualifi­kation betrifft, was die Rechtssicherheit betrifft, wird sich in Europa durchsetzen – auf Kosten von höherer sozialer und ökologischer Qualität. Dagegen werden wir auftreten! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: ... Dienstleistungsrichtlinie, oder?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt ein zweites Beispiel nennen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das erste war ...!) Eine Mitarbeiterin bei Billa erkrankt für längere Zeit, sie hat einen Bandscheibenvorfall. Sie kommt dann wieder in das Unternehmen, und der Arbeitgeber erklärt ihr, dass er sie in Österreich nicht wieder einstellen kann, dass er sie aber in seiner Tochtergesellschaft in Portugal einstellen kann. Diese Billa-Arbeiterin hat natürlich Angst um ihre Zukunft, sie bekommt ja sonst keinen Job und nimmt dieses Angebot an.

Was ist die Folge, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Bei ihrem nächsten Krankenstand bekommt diese Billa-Arbeiterin keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber mehr, sondern nur noch das Krankengeld von der Gebietskrankenkasse in der Höhe der Hälfte des Arbeitsgeldes. (Abg. Mag. Hakl: ... Dienstleistungsrichtlinie!) Nach por­tugiesischem Recht gibt es nämlich keinen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Nach österreichischem Recht – Sie wissen das – sind es je nach Firmenzugehörigkeit mindestens sechs Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt, nach portugiesischem Recht 15 Tage – das ist der Unterschied, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jetzt verdient diese Frau ohnehin schon sehr wenig, und sie muss dann während des erneuten Krankenstandes wiederum auf die Hälfte ihres Gehaltes verzichten. (Abg. Mag. Hakl: Aber wo ist denn ...?) Sie wissen, was sie verdient: Sie verdient 800 bis 1 000 € brutto. Das können Sie sich überhaupt nicht vorstellen, Kollegin Hakl, dass man mit so wenig Geld auskommen kann. (Abg. Mag. Hakl: Was hat das mit der Dienstleistungsrichtlinie zu tun? – Bundesminister Dr. Bartenstein: ... kennen sich nicht aus!)

 


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