Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 138

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Meine Damen und Herren! Wieder eine andere Ursache ist das Angebot an den europäischen, aber insbesondere auch an den österreichischen Universitäten, denn an europäischen Universitäten ist die Differenzierung wesentlich geringer als an japani­schen oder an amerikanischen Einrichtungen. In Europa, so könnte man sagen, wird in etwa überall das Gleiche angeboten.

Ich kenne das aus der Kunst, aus der Museumslandschaft: Sie können heute in praktisch jede kleinere Stadt fahren, überall gibt es ein nettes Museum und praktisch überall ist das Gleiche zu sehen. Das kommt historisch sicher daher, dass früher die Städte dafür verantwortlich waren – auch im Bildungsbereich natürlich –, den Bedarf ordentlich abzudecken. Die Mobilität war nicht so groß wie heute, und das bedeutet, es musste sozusagen für alle alles in der Stadt vorhanden sein.

Aber das war eben früher! Heute ist die Mobilität wesentlich größer, und daher glaube ich, dass es eine veraltete Ansicht ist, dieses Modell fortsetzen zu wollen.

Man könnte natürlich sagen, wir in Österreich tun das ja gar nicht. Das ist aber nicht wahr, denn es gibt das Beispiel Innsbruck. Dort soll jetzt eine neue Fakultät für Kunst entstehen. Das ist natürlich etwas Erfreuliches. – Bravo, könnte man sagen. Aber aufgepasst: Was ist in dieser Fakultät vorgesehen? Pädagogik für Musik und bildende Kunst, und zwar warum? – Weil die Studierenden dann nicht nach Salzburg, Graz oder München fahren müssen. Dort wird nämlich das Gleiche angeboten.

Meine Damen und Herren, das ist der völlig falsche Weg für gute Ausbildungs­möglichkeiten! Das geht in die verkehrte Richtung! Dieses regionale Denken, dass jede Stadt am liebsten alles anbieten möchte, führt dazu, dass am Schluss natürlich zu wenig Geld dafür da ist, auch wirklich all diese Bedürfnisse zu befriedigen. Zweitens kann damit auch keinerlei Reputation geschaffen werden.

Eine europäische Hochschulpolitik muss ihre Aufgaben besser differenzieren, die Ange­bote strukturieren, und die Hochschulen müssen sich deutlich voneinander unterscheiden. Das heißt natürlich auch, dass überall die Grundlagen gelehrt werden müssen und dass diese Grundlagen dementsprechend anrechenbar sein müssen. Das sind die Aufgaben einer gemeinsamen Hochschulpolitik, Frau Ministerin!

Wenn Sie sagen, Sie wollen das nicht haben, dann sage ich dazu: Wir Grünen wollen das schon haben! Das heißt nicht, dass wir im Detail die Lehre bestimmen wollen, sondern es geht darum, dass die Strukturen sozusagen europäisch übernommen werden können und von Europa genau diese Problemfelder systematisch und sukzes­sive bereinigt werden können.

Nehmen wir zum Beispiel Graz: Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass die Schule für Dichtung seit vielen Jahren so etwas wie eine universitäre Einrichtung in Graz installieren möchte, und zwar ohne Erfolg. (Abg. Dr. Wolfmayr: Das ist in Arbeit, Herr Zinggl! Das machen wir erst!) Dabei wäre das genau eine Lücke in der gesamten Ausbildungslandschaft, die Graz eine hervorragende Reputation im deutschsprachigen Raum schaffen würde.

Was wird daraus? – Nichts! Es wird nichts gemacht, weil wir möglicherweise sogar Angst haben, dass dann noch mehr Deutsche nach Österreich kommen könnten, weil so ein Institut in Deutschland und auch sonst nirgendwo existiert. (Abg. Dr. Wolfmayr: Aber nein!)

So kann es nicht gehen. Daher glaube ich schon, dass es eine übergeordnete euro­päische Hochschulpolitik braucht, denn so etwas geht natürlich auf jeden Fall leichter, wenn auch in Deutschland und in anderen Ländern differenzierte Institute mit speziellen Angeboten entstehen. Das hat überhaupt nichts mit Fachidiotie zu tun, sondern im Gegenteil: Genau die fächerübergreifenden Angebote fehlen ja überall!

 


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