Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 140

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Am 7. Juli 2005 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Republik Österreich dazu verurteilt, die bis dahin existierenden Zugangsbeschränkungen für Studierende aus anderen EU-Mitgliedstaaten aufzuheben. Die Zugangsbeschränkungen für auslän­dische Studierende zu österreichischen Universitäten stellen für den EuGH eine Dis­kriminierung Studienwilliger aus anderen EU-Ländern dar und verstoßen damit gegen EU-Recht.

Als Reaktion auf das Urteil hat die Regierung Zugangsbeschränkungen an den öster­reichischen Universitäten eingeführt. Per Gesetz haben die Rektorate für zwei Jahre das Recht bekommen, in jenen 8 Fächern, in denen es in Deutschland einen Numerus Clausus gibt (Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Biologie, Psychologie, Phar­mazie, Betriebswirtschaft und Kommunikationswissenschaft, wobei die beiden letzteren keine bundesweiten NC-Fächer sind), Zugangsbeschränkungen festzusetzen. Dabei gibt es eine gesetzlich fixierte Untergrenze, die beim Durchschnitt der Studienanfänger der letzten drei Jahre liegt. Sowohl die Feststellung der Kapazitätsgrenzen als auch die Einsetzung des konkreten Verfahrens für die Feststellung der Eignung Studierender zum Studium ist Sache der Rektorate („First come, first serve“-Prinzip, Einstiegstests vor Beginn des Studiums, selektive Studieneingangsphase mit Prüfung nach dem ersten Semester). Danach brauche es laut Ministerin Gehrer allerdings eine generelle Regelung, die sich nicht nur auf die NC-Fächer bezieht.

Faktum ist, dass nicht nur die AkademikerInnenquote, sondern auch die Hochschul­übertrittsquote, also die Zahl der Übertritte von MaturantInnen an die Unis, sowie die Anzahl an Studierenden in Österreich weit unter dem OECD-Schnitt liegen. Dies mit Zugangsbeschränkungen zu beantworten ist kontraproduktiv. Österreich braucht mehr und nicht weniger Studierende, um den Anschluss an die europäische Spitze zu finden. Dazu bedarf es eines klaren politischen Bekenntnisses mit einem entsprechenden Universitäts-Budget.

Neben diesen auf nationaler Ebene umzusetzenden Zielen, muss die Regierung sich dringend auf europäischer Ebene einsetzen, um den offenen Hochschulzugang zu verteidigen. Aber bisher hat weder die zuständige Ministerin, noch der Bundeskanzler nennenswerte Aktivitäten gesetzt, um sich des Problems durch Gespräche und Verhandlungen in der EU anzunehmen.

Das EuGH-Urteil vom 7.7.2005 kam alles andere als überraschend. Denn seit Jahren ist bekannt, dass die österreichische Zugangsregelung zu Universitäten, die für EU-BürgerInnen nicht nur die Matura, sondern auch einen Studienplatz in ihrem Heimat­land als Zugangsvoraussetzung an österreichischen Universitäten verlangt, von zahlreichen ExpertInnen aufgrund ihres diskriminierenden Tatbestandes kritisiert wurde. Die Bundesregierung hat wider besseres Wissen bis zur Urteilsverkündung nicht gehandelt, sondern bloß Vogel-Strauss-Politik betrieben. Seit der ersten Mah­nung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof am 9. November 1999, spätes­tens aber seit dem Schlussantrag Generalanwalt Jakobs am 20. Jänner 2005 hätte die Bundesregierung handeln müssen. All das hat sie verabsäumt und reagiert nun im Schnellschuss, wobei sie das Problem auf die Universitäten und Rektoren abschiebt.

Sogar in der Begründung des Urteils stellt der EuGH fest, dass Österreich keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hat, um die Dramatik der Situation für das österreichische Bildungssystem zu schildern. Wie auch die Beantwortung einer Anfrage von SPÖ und Grünen betreffend die Folgen des EuGH-Urteils zeigt, hat die Regierung verabsäumt, eine europäische Lösung des Problems auch nur anzudis­kutieren. Frühzeitige Warnungen – auch seitens der Grünen, die das Problem wieder­holt thematisiert haben und bereits am 3.12.2003 eine entsprechende Anfrage an Ministerin Gehrer gerichtet haben, die allerdings eher nichtssagend beantwortet wurde – wurden offenbar verschlafen.

 


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