Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 125. Sitzung / Seite 35

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Herr Kollege Molterer, wenn hier davon gesprochen wird, dass die Ausgleichszulagen erhöht worden sind und dass das eine tolle Leistung ist, dann frage ich Sie: Wissen Sie, Herr Kollege Molterer, wie das Leben mit einer Ausgleichszulage ist (Abg. Dr. Fekter: Nein, aber Sie wissen es auch nicht! – Abg. Neudeck: Jetzt drücken die Fernsehzuschauer zu Hause auch auf den Knopf! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie verdienen 7 500 € im Monat!), wie man davon einen Monat organisieren muss? Wissen Sie es wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien?

Wenn Sie, Frau Bundesministerin, sagen, die Frauen profitieren von der Erhöhung der Aus­gleichszulage, klingt das sicher gut. Aber, Frau Bundesministerin, die Ausgleichs­zulage wurde deshalb erhöht, damit nicht auch im nächsten Jahr die Pensionisten mit der Ausgleichszulage unter der Armutsgrenze bleiben. So schaut es aus! Sie haben es deshalb erhöht, erhöhen müssen, weil die PensionistInnen sonst unter der Armutsgrenze gewesen wären, weil wir sonst auch im nächsten Jahr hunderttausende PensionistInnen gehabt hätten, die weniger als die Armutsgrenze an Pension erhalten.

Sie kennen, hoffe ich, die Zahl dieser PensionistInnen. Da geht es nicht um 5 000 oder 10 000, da geht es um 100 000 Pensionistinnen und Pensionisten. Und Sie hätten, wenn Sie das nicht gemacht hätten, für das nächste Jahr 200 000 zusätzliche armuts­gefährdete und tatsächlich arme Menschen produziert. So schaut es aus! (Abg. Mag. Molterer: Wir haben’s gemacht!) – Gut, Sie haben es gemacht, Sie haben es auf die Armutsgrenze erhöht. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ist auch gut so, auch wir unterstützen das. Nur: Sich hier dafür zu berühmen, dass man endlich einen Schritt setzt, indem man die Pensionen von Menschen, die weniger als das erhalten, was man in Österreich normalerweise zum Überleben braucht, auf das anhebt, was die Armutsgrenze ist, halte ich für übertrieben, denn das ist noch nicht sehr viel, Herr Kollege Molterer. Das ist wirklich noch nicht sehr viel. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, wenn Sie hier die Unterstützung der Sozialpartner, die Unter­stützung der politischen Parteien für die SchwerarbeiterInnenregelung einfordern, dann sage ich Ihnen: Wissen Sie, Frau Bundesministerin, dass in diesem Land derzeit wegen Ihrer Pensionsreform zehntausende Menschen zwischen dem AMS, den Sozial­ämtern und der Pensionsversicherung hin und her geschickt werden, Menschen, die zu krank sind zum Arbeiten, die abgerackert sind, die nicht mehr arbeiten können, aber trotzdem nicht in Pension gehen können, trotzdem keine Sozialhilfe erhalten und auch vom AMS wieder zur Pensionsversicherung geschickt werden, weil sie zu krank zum Arbeiten sind? Diesen Zynismus leisten Sie sich, aber Sie sagen auf der anderen Seite: Für die SchwerarbeiterInnen ab 60 wollen wir etwas tun!

Sie, Frau Bundesministerin, wissen genauso gut wie ich, dass die Personen, die tat­sächlich schwer arbeiten, es in der Regel nicht schaffen, bis zum 60. Lebensjahr gesund zu bleiben und arbeiten zu können. Diese SchwerarbeiterInnenregelung ist also – das muss man leider sagen, ich hätte mir Besseres gewünscht und vorstellen können – ein Humbug. Das wird nicht funktionieren. Ich hoffe, Sie wissen es, aber dann wäre es an der Zeit, die Debatte wieder aufzunehmen, bevor noch weitere Jahre ins Land gehen, in denen für diese abgerackerten Personen nichts passiert. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen, da das rote Lämpchen auf dem Rednerpult leuchtet.)

Wir hätten uns gewünscht, dass heute Nachmittag über die Grundsicherung diskutiert wird, weil das in Österreich tatsächlich notwendig ist, über die größere Kluft zwischen Arm und Reich. Stattdessen schwenken Sie auch am Nachmittag wieder den Weih­rauchkessel: In Österreich ist alles gut, Arbeitslosigkeit kennen wir hier nicht. – Das ist


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