Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 89

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können. Denen sagen Sie jetzt, sie haben mindestens fünfzehn Jahre statt der bisher sechs Jahre zu warten, bis eine Verleihung der Staatsbürgerschaft durch Österreich möglich wird.

Sie sagen in Wirklichkeit allen in Not geratenen Menschen: Wir nehmen euch in eurer Notlage nicht wirklich ernst! Jedenfalls sagen Sie ihnen aber: Es zählt das Geld! Wenn jemand die Gebühren nicht zahlen kann – gerade Traumatisierungsopfer, die Flücht­lingsstatus haben, sind oft nicht in der Lage, einer geregelten Erwerbstätigkeit nach­zukommen –, dann gibt es eben keine Staatsbürgerschaft.

Wie sieht es in einem zweiten Bereich aus, dem der Familie, die Sie sich ja auf die Fahnen schreiben, aber dann in der Praxis herzlich wenig wirklich unterstützen? – Als Erstes – und ich möchte es salopp formulieren – geht dieses Staatsbürgerschafts­gesetz in der Novellierung generell vor allem auf dem Rücken von Frauen und Kindern aus. Sie sagen, wenn Ehegattinnen eine Staatsbürgerschaft erwerben wollen, dann ist eine zumindest fünfjährige Ehebestandsfrist einzuhalten. Was ist, wenn die Frau vier Jahre mit dem Mann verheiratet ist und er sie schlägt, sie ein laufendes Staats­bürgerschaftsverfahren anstreben möchte und dann folgende Entscheidung hat: entweder Schutz vor Gewalt, Zuflucht im Frauenhaus und Scheidung – oder Staats­bürgerschaft. Vor diese Wahl stellen Sie Frauen und zwingen sie, solche Entscheidun­gen zu treffen.

Das ist vielleicht wenig überraschend, weil Sie ja dasselbe im Aufenthaltsrecht machen. Auch im Aufenthaltsrecht sehen wir immer wieder Fälle – und ich kann Ihnen konkrete Beispiele nennen –, dass Frauen vor einem gewalttätigen Ehemann ins Frauenhaus flüchten möchten und damit nicht nur Sozialleistungen verlieren, sondern auch den Aufenthaltstitel verlieren und wählen müssen zwischen den Möglichkeiten, legal in Österreich bleiben zu können und bei einem gewalttätigen Ehemann bleiben zu müssen – oder Aufenthalt und Unterstützung zu verlieren, wenn man Zuflucht vor Gewalt sucht. Auch das ist die Politik, die Sie betreiben!

Mehrfach wurde heute schon darauf hingewiesen, wie Sie Kindern und Jugendlichen die Verantwortung für die Staatsbürgerschaft der ganzen Familie auferlegen. (Abg. Höllerer: Stimmt doch nicht!) Ich meine, zeigen Sie mir einmal einen Elf-, Zwölf-, Dreizehnjährigen oder ein Mädchen, die nicht auch einmal in Deutsch ungenügende Kenntnisse haben, obwohl vielleicht die Deutschkenntnisse gar nicht so schlecht wären. Wie viele österreichische Kinder und Jugendliche gibt es, die in Deutsch ein „Nicht genügend“ haben? Wollen Sie die alle ausbürgern? – Das ist ja lächerlich, was Sie da betreiben! (Beifall bei den Grünen.)

Sie prüfen ja noch nicht einmal ab, ob Integration gelungen ist, ob Deutschkenntnisse in einem ausreichenden Maß für den Alltag vorhanden sind, sondern Sie prüfen bei diesen Jugendlichen Schulnoten ab. Das ist ja noch viel absurder! (Abg. Höllerer: Stimmt ja nicht!) Ehrlich gestanden, wenn Sie mit gleichem Maßstab all jene Menschen in Österreich, die von Geburt an die Staatsbürgerschaft haben, überprüfen, bin ich mir nicht sicher, wie vielen von ihnen Sie nach Ihren Kriterien nicht konsequenterweise sogar die Staatsbürgerschaft aberkennen müssten.

Sie machen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen denen, die das Geld haben, denen, die Ihnen in den Kram passen (Abg. Scheibner: Ist das Ihre Forderung?), und wenn jemand aus dem falschen Land kommt, wird es mit den Kriterien anders ausgehen. Ich schaue mir an, wie Sie in Zukunft den Fußballlegionär behandeln, dessen Deutschkenntnisse rudimentär sind, der vielleicht gerade kein Engagement hat und ein Geschwindigkeitsvergehen begangen hat, ob der dann die Staatsbürgerschaft nicht bekommt (Abg. Scheibner: Das sollte nicht sein!), während die türkische Frau


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