Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 112

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Regierungspolitik trägt dazu bei, die negativen Entwicklungen noch zu beschleu­nigen: Das Kindergeld mit seinen geringen Zuverdienstgrenzen und dem fehlenden Kündigungsschutz für die Gesamtdauer des Bezugs hat zu überlangen Abwesenheiten von Frauen vom Arbeitsmarkt und einem deutlich erschwerten Wiedereinstieg in den Job geführt. Männer nehmen nach wie vor kaum Elternkarenz in Anspruch. Die Zahl der männlichen Kindergeldbezieher stagniert seit Monaten bei etwa 3,2%. Die Regie­rung unternimmt nichts, um eine Erhöhung des Anteils der Karenzväter zu erreichen.

Das derzeitige Angebot der Arbeitsmarktpolitik an die WiedereinsteigerInnen be­schränkt sich auf wenig effektive „Berufsorientierungskurse“. Generell lässt sich feststellen, dass Frauen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik die weniger zukunfts­orientierten und weniger qualifizierten Maßnahmen erhalten. Während betriebliche Wiedereingliederungshilfen und konkrete Ausbildungsmaßnahmen mit Zertifikatsab­schluss mehrheitlich männlichen Arbeitslosen zugute kommen, entfällt ein überpro­portional hoher Anteil von Zuschüssen für Kinderbetreuung auf Frauen. Die „Kinder­betreuungsbeihilfe“ des AMS erhielten 2004 zu 98% Frauen, das sind 7.019 Frauen, aber nur 162 Männer. Dafür kamen doppelt so viele Männer in den Genuss der „Gründungsbeihilfe“ (2.847 Männer im Vergleich zu 1.436 Frauen). Auffällig ist auch, dass sich zwar deutlich mehr Frauen in Qualifizierungsmaßnahmen befinden, aber während dieser Maßnahmen deutlich weniger oft eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erhielten.

Die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt und die geschlechtsspezifischen Rollenbilder werden somit vom AMS fortgeschrieben. Frauen werden zu Arbeitslosen zweiter Klasse. Die Politik der Regierung Schüssel ist geprägt vom Festhalten am Modell des männlichen „Ernährers“, zu dem die Frau allenfalls ein wenig dazuverdient. Die eigenständige Existenzsicherung, die selbstverständliches Recht von Frauen sein sollte, wird behindert und vielen Frauen immer schwieriger gemacht.

So ist es wenig überraschend, dass Österreich bei der Erwerbsquote von Frauen im internationalen Vergleich zurückfällt. Im Durchschnitt der EU-15 stieg zwischen 1995 und 2003 die teilzeitbereinigte Erwerbsquote von Frauen um rund 4,5%, in manchen Staaten deutlich stärker – etwa in Spanien um mehr als 12 % oder in Finnland um über 8%. Einzig in Österreich sank die Frauenerwerbsquote im selben Zeitraum um fast 2%.

Spitzenreiter ist Österreich im internationalen Vergleich nur bei der Teilzeitquote von Frauen, die weit über dem EU-Schnitt liegt und sich gerade in den letzten Jahren drastisch erhöht hat. Die Teilzeit-Quote von Frauen stieg allein von 2000 bis 2003 von 33% auf 37,1%, im Vergleich dazu liegt sie im EU-Schnitt bei 26%. Der gesamte Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre ist bei Frauen auf Teilzeitbeschäftigungen und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zurückzuführen. Waren es beim Amts­antritt von Kanzler Schüssel im Jahr 2000 noch „nur“ 141.670 Frauen (im Vergleich zu 55.102 Männern), die geringfügig beschäftigt waren, so gab es im Oktober 2005 bereits 162.422 geringfügig beschäftigte Frauen! Eine Existenzsicherung ist mit dem Verdienst aus derartig prekären Arbeitsverhältnissen nicht mehr möglich. Übrigens: Bei den freien Dienstverträgen findet sich dieser Frauenüberhang nicht, sie verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf Frauen und Männer.

Eine Neuausrichtung der Regierungspolitik ist im Interesse der Existenzsicherung von Frauen daher unabdingbar. Dringendstes Anliegen für 2006 muss sein:

Vorrang für Frauen auf dem Arbeitsmarkt!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite