Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 47

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Folgende zwei Dinge muss ich aber schon anmerken. Österreich wird mehr zahlen, weil wir zu den reichsten Ländern gehören, weil wir es für wirtschaftlich richtig und wichtig halten, dass die Aufbauarbeit in den EU-10, in den neuen Beitrittsländern, fortgeführt wird. Österreich wird davon profitieren. Zu stark sollten wir, finde ich, dieses letzte Argument aber auch nicht verwenden. Was wäre, wenn Österreich nicht so stark profitieren würde vom Aufbau? Wären wir dann dagegen? Wäre das eine europäische Position? – Wir würden auch dann dazu beitragen, so wie das Portugal, Irland und andere Länder tun, die von der Erweiterung der EU-15 nicht in dieser Weise positiv betroffen sind.

Was die Lage der Europäischen Union betrifft, sagen Sie, Herr Bundeskanzler, mit Recht, dass das jetzige Budget so ziemlich genau in der Mitte liegt zwischen dem luxemburgischen Vorschlag vom Juni dieses Jahres und den ursprünglichen britischen Vorschlägen vom November dieses Jahres. Und dieses Ergebnis hätten wir im Juni nicht haben können? (Abg. Dr. Khol: Wir schon!) Ich sage ja nicht, dass Österreich das verhindert hat. Ich hätte auch das Juni-Ergebnis, das luxemburgische Ergebnis akzeptiert, selbstverständlich. Aber dass wir auf europäischer Ebene so weit sind, dass wir ein halbes Jahr, ein zusätzliches halbes Jahr brauchen, um ein Ergebnis zu erzielen, das wir im Juni hätten haben können, wenn Tony Blair damals nicht so stur gewesen wäre – nebenbei gesagt, er hat kein einziges seiner Reformprojekte, die er damals vorgeschlagen hat, durchgebracht –, das wirft schon ein gewisses Bild auf die Situation in Europa.

Das Unbehagen im Europäischen Rat über diese Art der Budgetfindung muss sehr groß gewesen sein, Herr Bundeskanzler! Nebenbei gesagt: Sie haben Recht, wenn Sie sagen, bei der EU-25 hat das zum letzten Mal so funktioniert, das nächste Mal wird das nicht mehr so funktionieren. Das Unbehagen muss sehr groß gewesen sein, sonst hätte der Rat nicht die Kommission beauftragt, bis 2008, Jahreswende 2009, eine Revision der Einnahmen- und Ausgabenströme in der Union vorzulegen.

Ich hoffe, dass die Kommission diese Aufgabe sehr ernst nimmt, inklusive der Fragen der so genannten Eigenmittel, sodass die Union nicht mehr ausschließlich praktisch von Transfers der einzelnen Mitgliedstaaten gespeist wird.

Nur als Gedankenexperiment: Man muss sich einmal vorstellen, wie der Bund in Öster­reich ausschauen würde, wenn wir keine eigenen Steuern hätten, keine Bundes­steuern, sondern ausschließlich von Transfers der neun Bundesländer in Österreich leben würden. (Abg. Sburny: Wir hätten uns schon aufgelöst! – Gegenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Kollege Stummvoll von der ÖVP scheint das für eine ausgesprochene Horrorvorstellung zu halten. (Beifall bei den Grünen.) Aber das ist das System, dessen wir uns auf europäischer Ebene bedienen – mit den gleichen Schwierigkeiten, die wir in Österreich hätten.

Die Sache ist aber nicht ausgestanden! Das Europäische Parlament muss dem Budget noch zustimmen, und das ist nicht so selbstverständlich. Das Europäische Parlament hat ursprünglich andere Vorstellungen gehabt. Ich hoffe, dass die österreichische Präsidentschaft diese Aufgabe sehr ernst nehmen und das Europäische Parlament nicht einfach vor die Alternative „Friss, Vogel, oder stirb!“ stellen wird, sondern Ange­bote machen wird auf anderen Gebieten, die für das Europäische Parlament interessant sind. Ich denke hier auch an die Frage der Europäischen Verfassung, die Frage der Entscheidungsfähigkeit der Union, die Frage der demokratischen Legitimie­rung der Instanzen, das heißt an die Gewaltenteilung und die Rolle des Parlaments in der Union – und last but not least an die bürgerlichen Freiheitsrechte beziehungsweise an die Sozial-Charta.

 


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