Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 60

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Freundinnen und Freunde betreffend österreichische Initiative für die europaweite Einführung einer Devisentransaktionssteuer für das EU-Budget und die Entwicklungszusammenarbeit,

eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers zur öster­reichischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006

Am 18. Dezember 2005 meinte Bundeskanzler Schüssel in der ORF-„Pressestunde“, er wolle punkto EU-Finanzierung künftig keine zusätzliche Europa-Steuer sondern eine ansetzen bei „Themen, die heute (...)  international überhaupt nicht besteuert werden“, etwa bei „Finanzdienstleistungen“.

Schüssel beantwortete in der „Pressestunde“ jedoch nicht die daraufhin gestellte Frage, ob damit die sog. Tobin-Steuer eines der Projekte der österreichischen Präsi­dentschaft werden könnte.

James Tobin, ein US-amerikanischer Wirtschaftnobelpreisträger, hatte bereits in den 70er Jahren die Idee, die Finanzmärkte durch die Einführung einer Steuer, der so genannten Tobin-Steuer, zu stabilisieren und damit Finanzkrisen vorzubeugen. Neben dieser stabilisierenden Funktion hätte die Tobin-Steuer auch den Effekt, den bisher gegenüber dem Faktor Arbeit wesentlich geringer belasteten Faktor Kapital stärker als bisher zu besteuern.

Täglich werden mehr als 1.200 Milliarden Euro auf den internationalen Finanzmärkten umgesetzt. Davon sind laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) mehr als 80 % Anlagen mit einer Laufzeit von 7 Tagen oder weniger. Dieses kurzfristige (oftmals spekulative) Kapital zeichnet sich durch hohe Volatilität und Mobilität aus und stellt eine wesentliche Bedrohung für die Anlegerländer dar. Durch ihr großes Handelsvolumen sind diese Märkte zu einem bedeutenden Machtfaktor geworden, die einen zuneh­menden Einfluss auf Politik und Gesellschaft gewinnen. Anlageerwartungen werden nicht mehr durch ökonomische Basisdaten sondern von kurzfristigen Rendite­erwartun­gen privater Finanzmarktakteure bestimmt. Dies hat nicht zuletzt zu Währungs- und Finanzkrisen wie in Mexiko (1994 – 95), Asien (1997), Russland (1998) und vor kurzem auch Argentinien (2001) geführt.

Die Tobin-Steuer sollte auf alle Devisentransaktionen eingehoben werden, egal wel­chem Zweck sie dienen. Dabei stand man vor dem Problem einen Steuersatz zu finden, der sowohl hoch genug war, um Spekulationen abzuwehren, und niedrig genug, um Investitionen, die dem Warenhandel oder der Wechselkurssicherung dienen, nicht zu beeinträchtigen. Eine Weiterentwicklung der Tobin-Steuer, die dieses Problem lösen kann, schlägt der deutsche Wirtschaftsprofessor Paul Bernd Spahn vor – die „Spahn-Steuer“.

Spahn schlägt ein Zwei-Ebenen-System vor, das sowohl Einnahmen schaffen als auch einen Abschreckungseffekt erzielen kann. Ein Teil dieser Steuer ist eine „klassische“ Tobin-Steuer, allerdings mit einem sehr niedrigen Steuersatz – etwa 0,01–0,04 %. Dieser Steuersatz darf vor allem den nicht-spekulativen Handel nicht behindern und hat hauptsächlich fiskalische Funktionen. Der andere Teil der Steuer besteht aus einer Zusatzabgabe, die speziell der Abwehr von Spekulationen dient. Dieser Teil wird immer dann aktiviert wenn es zu Spekulationen kommt.

Dafür muss man für die amtlichen Wechselkurse einer Währung einen entsprechenden Korridor für so genannte normale Transaktionen definieren. Bei Spekulationen kommt es zu einer abrupten Änderung des Wechselkurses. Hat man den Korridor richtig gewählt, überschreitet der Wechselkurs bei einer spekulativen Attacke denselben und


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