Dieser
Berufung wird der vorliegende Vorschlag der Kommission allerdings nicht gerecht.
Denn die Europäische Union hat sich mit der im März 2000 beschlossenen „Lissabon-Strategie“
das Ziel gesetzt, innerhalb von zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten
wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Die „Lissabon-Strategie“,
die zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum, zu mehr Beschäftigung
(„Vollbeschäftigung“) und besseren Arbeitsplätzen und zu mehr sozialem
Zusammenhalt führen sollte, enthält drei zentrale Zielsetzungen: die Vorbereitung
des Übergangs zu einer wissensbasierten Wirtschaft, mehr Wachstum durch geeigneten
makroökonomischen Policy-mix und die Modernisierung des europäischen Gesellschaftsmodells.
Mit dem Gipfel von Göteborg 2001 wurde das Projekt durch eine umweltpolitische
Dimension ergänzt. Die Lissabon-Strategie ist auf eine effiziente Verschränkung
der Wirtschafts-, Umwelt-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gerichtet, die den
gemeinsamen Werten der Solidarität und der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet
sein soll. Der Vorschlag der Kommission nimmt weder auf das Ziel Vollbeschäftigung,
bessere Arbeitsplätze, mehr sozialen Zusammenhalt zu erreichen, noch auf den Gesichtspunkt
des Umweltschutzes entsprechend der „Lissabon-Strategie“ Rücksicht. Der
Vorschlag zielt vielmehr darauf ab, die von ihm erfassten Dienstleistungen zu
liberalisieren und die dadurch bewirkten Folgewirkungen ihrerseits ihre Wirkung
unabhängig davon entfalten zu lassen, ob die Wirkung in der Vernichtung von
Unternehmen – vor allem im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen
(KMU) – oder von Arbeitsplätzen – vor allem in den Ländern mit hohem
Niveau an sozialem oder Konsumentenschutz und hohem Lohnniveau – oder
darin besteht, dass durch die schrankenlose Einführung des
Herkunftsland-Prinzips eine weit reichende Rechtsunsicherheit auf Seiten der
Leistungsempfänger bzw. der Empfängerländer entsteht. Der Vorschlag ist daher
in dieser Form nicht in Deckung mit den ausdrücklichen Zielen der „Lissabon-Strategie“.
Unter dem Druck der öffentlichen Kritik an
dem von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwurf sahen sich die Staats-
und Regierungschefs schließlich bei ihrem Gipfeltreffen im März 2005 gezwungen
zuzugeben, dass – so die diplomatische Formulierung, die dafür gefunden
wurde – „die vorliegende Fassung des Richtlinienvorschlags den
Anforderungen nicht in vollem Umfang gerecht wird“. Eine Überarbeitung der
Richtlinie wurde in Aussicht gestellt, konkrete Änderungen, die garantieren
würden, dass durch die „Dienstleistungsrichtlinie“ weder ein Abbau sozialer
Rechte, Lohndumping noch ein Unterlaufen der Bestimmungen des
Konsumentenschutzes ermöglicht wird, wurden aber bisher nicht beschlossen.
Mit dem vorliegenden Antrag soll
sichergestellt werden, dass die Zielsetzung der Vollendung des Binnenmarktes
zum Wohle der in der EU lebenden und arbeitenden Menschen verfolgt und
realisiert wird. Dabei reicht die einseitige Konzentration auf Absenkung der
Kosten für erbringende und empfangende Unternehmen nicht aus. Es bedarf einer
umfassenden Sicht und Abschätzung der Wirkungen. Dies gilt auch in Hinblick auf
die andernfalls zu befürchtenden Wirkungen für Akzeptanz europäischer Politik
bei den zu erwartenden Verlierern der vorgeschlagenen Maßnahmen (Arbeitnehmer,
KMU u.a.). In dieser Hinsicht ist aber im Lichte der feststellbaren Zunahme von
EU-Skepsis und Enttäuschung besondere Sensibilität erforderlich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der
Nationalrat wolle beschließen: