Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 107

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

würde ein Finanzminister vom Schlage Karl-Heinz Grassers nicht auf der Regierungs­bank, sondern auf der Bank eines Straflandesgerichtes sitzen. Das ist selbstver­ständ­lich. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: He, he, he!)

Was am Ende eines Gerichtsverfahrens herauskommen würde, dass kann nur ein unabhängiges Gericht beurteilen, das kann kein Nationalrat beurteilen. Aber dafür zu sorgen, dass ein seriöses rechtsstaatliches Gerichtsverfahren trotz Grasser, trotz Justizminister, trotz Finanzminister, trotz Sektionschefs, trotz weisungsgebundenem Staatsanwalt möglich sein muss, das ist Aufgabe des Nationalrates. Es ist Aufgabe des Nationalrates, darauf zu achten, dass das Weisungsrecht, die Interventions­möglich­keiten, die politische Macht nicht missbraucht werden. Und das ist genau das, worüber wir hier sprechen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Mitterlehner: Danke!)

Ist dieser Nationalrat mit Hilfe eines seriösen und ausgezeichneten und bis an die Grenzen, wo eigentlich die Strafjustiz einsetzen müsste, gehenden Berichtes, sind diese beiden Körperschaften, der Nationalrat und sein Organ, der Rechnungshof, heute noch in der Lage, aus ihren Feststellungen Konsequenzen zu erzwingen, oder gibt es Regierungsparteien, die signalisieren: In dieser Republik kann sich die Macht über alle Gesetze hinwegsetzen, in dieser Republik gilt das Prinzip, ein Finanzminister ist der einzige, der keine Steuern zahlt, in dieser Republik gilt das Prinzip, wenn es gegen Minister der ÖVP oder der Freiheitlichen Partei oder des BZÖ geht, dann wird der Rechtsstaat systematisch außer Kraft gesetzt!?

Das ist die Frage, die Ihnen zu stellen wäre. Daher diskutieren wir längst keinen Fall Karl-Heinz Grasser mehr – wir diskutieren einen Fall Wolfgang Schüssel! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist nicht die politische Kultur allein von Karl-Heinz Grasser, das ist die politische Kultur von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: das Außerkraftsetzen des Rechtsstaates, um seine Freunde in der Regierung zu schützen! (Abg. Gahr: Das sind Unterstellungen, Herr Kollege Pilz!) Darum geht es, und das ist die politische Verantwortung. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man jemanden deckt, wenn man bereit ist, alles unter den Teppich zu kehren, dann darf man vom Finanzminister nicht erwarten, dass er sagt: Nein, bitte, ich möchte, dass das aufgedeckt wird!, aber vom Bundeskanzler! Vom Bundeskanzler darf man nicht nur, sondern man muss erwarten, dass er den österreichischen Rechtsstaat vor Finanzministern wie Karl-Heinz Grasser und Staatssekretären wie Herrn Finz in Schutz nimmt. (Abg. Ellmauer: Wer schützt uns vor Pilz?) Wir sind so weit, dass der Rechtsstaat diesen Schutz braucht.

Genau darum geht es, meine Damen und Herren! Der Rechnungshof hat mit seinem Bericht einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit in Österreich geliefert. Mehr kann der Rechnungshof nicht tun. Der Nationalrat hat diesen Bericht angenommen, diskutiert ihn und hätte jetzt an und für sich die Aufgabe, das, was es an politischen Konsequenzen geben könnte und müsste, auch möglich zu machen.

Wenn schon die Strafjustiz nicht ermitteln darf, wenn schon die Finanzbehörden keine positiven Entscheide ausstellen können (Abg. Mag. Regler: Was heißt das? Es ist eingestellt!), dann muss es möglich sein, die politischen Hindernisse, die den Rechts­staat funktionsunfähig machen, zu beseitigen. Wenn diese Hindernisse Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser heißen und eine Mehrheit des Nationalrates dazu nicht bereit und nicht imstande ist, dann wird das eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung tun müssen.

Wenn der Rechtsstaat nicht arbeiten kann, dann bedarf es eines eindeutigen politi­schen Signals. Wir als Opposition werden weiter versuchen, dem Rechnungshof, seinen Berichten und seinen Feststellungen eine Chance zu geben. Wenn die Mehrheit


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite