Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 106

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wurde schon etliche Male in diesem Haus vorgelegt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Herr Pilz, das könnte Ihnen nie passieren, weil Sie haben keine Freunde!)

Dann bezieht der Finanzminister Honorare, Vortragshonorare. Immer, wenn er Vor­träge hält, sagt er vorher: Ich halte den Vortrag, wenn auf ein persönliches Konto, auf dem Karl-Heinz Grasser draufsteht, eine bestimmte Summe überwiesen wird. Das lässt sich etwa aus der Buchhaltung der Bank Austria genau nachvollziehen.

Er will eine Stiftung einrichten, und es ist zu wenig Geld da. Woher bekommt die Stiftung plötzlich Geld? – Vom Verein, der die Website betreut.

Nächster Punkt, das lässt sich fortsetzen, und wir kommen immer mehr ins Detail: Das Ganze landet jetzt ungefähr zur gleichen Zeit bei Finanzämtern und bei der Staatsanwaltschaft. Als einer der Ersten bekommt es der damalige Leiter der Wirt­schaftsgruppe der Staatsanwaltschaft Wien Dr. Erich Müller auf den Tisch.

Dr. Müller – das ist bis jetzt öffentlich gar nicht bekannt – hält in der Stellungnahme der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft schriftlich fest, dass nicht nur eine Steuerpflicht vorliegt, sondern die gerichtliche Wertgrenze eindeutig überschritten ist und daher der Verdacht auf Steuerhinterziehung eindeutig und klar begründet ist.

Dann kommt die Angelegenheit zum weisungsgebundenen Staatsanwalt, der aus­schließlich für politische Fälle, Spitzelaffäre, Haider, Stadler und jetzt in mehreren Facetten Karl-Heinz Grasser, zuständig ist, zu Staatsanwalt Klackl. Dieser bekommt von seinem Minister einen eindeutigen Hinweis, dass am Ende dieses Verfahrens die Einstellung herauszukommen habe. Der Staatsanwalt tut alles, damit eingestellt wird, macht nur einen Fehler. Damit es überhaupt einen Grund dafür gibt, dass ein Einstellungsverfahren geführt wird, muss zuerst eine Steuerpflicht festgestellt werden. Der Staatsanwalt, der einstellen will, stellt die Steuerpflicht fest und will dann einstellen. Das bemerken unabhängige Richter des Landesgerichtes Wien, die den Akt an sich ziehen und sagen: Nein, wir zwingen dich mit Beschluss, einen Gutachter zu beauf­tragen und das Verfahren zu führen! Zur Überraschung des Staatsanwaltes stellt der Gutachter fest, dass die gerichtliche Wertgrenze bei weitem überschritten ist. Der Staatsanwalt beschließt darauf, wieder einzustellen.

Ein nächster Richtersenat zieht das Verfahren an sich und sagt: So geht es nicht, das ist nicht rechtsstaatlich! Noch einmal von vorne.

Beim dritten Versuch gibt es schlicht und einfach keine unabhängige richterliche Instanz mehr, die sich wehren könnte – das Verfahren wird eingestellt. Jetzt ist von der Staatsanwaltschaft Wien schwarz auf weiß bewiesen, dass eine Steuerpflicht besteht.

Zu diesem Zeitpunkt ist aber schon längst der Staatssekretär aufgetreten, hat einen stellvertretenden Sektionsleiter organisiert, der wieder einen nicht mehr gültigen Kommentar zum deutschen Einkommensteuerrecht organisiert hat, die Beamten der zuständigen Finanzämter zu sich zitiert hat und ihnen gesagt hat: Wir machen jetzt eine kleine Ausnahme, die Finz-Ausnahme. Diesmal gilt nicht das österreichische Einkommensteuerrecht, sondern ein nicht mehr gültiger Kommentar zum deutschen Einkommensteuerrecht; nicht, weil es sich um einen nicht mehr gültigen deutschen Finanzminister handelt, sondern deshalb, weil das Ergebnis am Ende dasselbe sein muss wie das des Staatsanwalts, mit der kleinen begründeten Hoffnung, dass es niemanden in der ÖVP stört, wenn der eine sagt, es bestehe Steuerpflicht, damit er einstellen kann, und der andere sagt, es bestehe keine Steuerpflicht, damit er keinen Bescheid ausstellen muss. – So schaut es aus.

Das sagt einiges aus über die Spitze des Finanzministeriums, aber das sagt viel mehr darüber aus, in welcher Art und Weise zwei Regierungsparteien mit einem Finanz­ministerium und mit einem Justizministerium umgehen. In jedem Rechtsstaat der Welt


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