Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 137. Sitzung / Seite 62

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ginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Wortmeldung, die dem Schutz der Frau Bundesministerin diente, Folgendes gesagt: Die Opposition, Sie – er hat in die Richtung von Grün und Rot geblickt – machen Seipel zum Verbrecher und den Dieb zum Helden!

Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir machen Seipel zum Verbrecher und den Dieb zum Helden!? Dazu kann ich nur sagen, der Herr Bundeskanzler verleumdet uns Oppositionelle hier im Parlament als Verleumder. Der Herr Bundeskanzler hat hier im Nationalrat und in der Öffentlichkeit schon vielfach die Opposition hart angegriffen. Aber diesen Stil, Herr Bundeskanzler – schade, dass er jetzt nicht mehr da sitzt –, habe ich bisher nur von einem Politiker in diesem Land gekannt, und das ist Jörg Haider. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Das, Herr Bundeskanzler, sollten Sie sich wirklich gut überlegen, wie man hier mit dem demokratischen Recht umgeht, das die Opposition in Anspruch nimmt, nämlich eine Sondersitzung einzuberufen, um die politische Verantwortung einer Ressortchefin, nämlich der Frau Ministerin Gehrer, für die unglaublichen Geschehnisse in dieser Republik einzufordern. Es wird eines der wichtigsten Kunstwerke aus dem nam­haftesten, wichtigsten Museum dieses Landes gestohlen, in der Folge stellt sich heraus, dass die Sicherheitsmaßnahmen und -vorkehrungen abenteuerlich sind, und dieser Direktor und die Frau Ministerin, ihn schützend, sagt: Alles super! – Das nenne ich Aufforderung zum Diebstahl, zu sagen: Wie wir unsere Kunstwerke schützen, ist super, das Museum ist ein Bollwerk! Sie können nur von Glück sprechen, Frau Bundesministerin, dass seither nichts mehr dieser Art passiert ist.

Ich frage Sie, Frau Bundesministerin: Wie hoch liegt eigentlich Ihre Latte? Was muss in einem österreichischen Museum noch alles passieren? Muss eigentlich etwas noch Wertvolleres als die „Saliera“ gestohlen werden, damit Sie das wirklich einmal ernst nehmen? – Vielleicht die Bilder von Klimt. Und das ist jetzt meine Brücke zu Ihnen, Frau Bundesministerin.

Sie, Frau Bundesministerin, haben Ihre Antwort auf die schriftliche Anfrage der Sozial­demokraten, was Sie eigentlich unternommen hätten, um diese Bilder, die den Erben nach Bloch-Bauer gehören, wieder zurückzugeben beziehungsweise sie auch gleich­zeitig der Republik zu erhalten, mit folgendem Satz begonnen: In der letzten Woche habe ich mich sehr bemüht, Sponsoren zu finden. In der letzten Woche! Und damit ist alles gesagt, was es zu dieser Causa Restitution und Umgang mit Frau Altmann zu sagen gibt.

In der letzten Woche haben Sie sich bemüht! Da haben Sie sich vielleicht wirklich be­müht; dieses Bemühen will ich Ihnen nicht absprechen. Aber wenn Sie meinen – Frau Ministerin, ich beobachte Ihre Arbeit, die Arbeit der Bundesregierung, unsere gemein­same Arbeit in Fragen der Restitution, Aufarbeitung der Vergangenheit in den letzten Jahren genauso aufmerksam wie auch Sie –, dass das, was Sie in der letzten Woche und insbesondere in der Zeit davor gemacht haben, reicht, um die Mitverantwortung, um die moralische Verantwortung, wenn es um geraubtes, enteignetes, entzogenes Kulturgut geht, entsprechend wahrzunehmen, dann kommentiert sich das von selbst, Frau Bundesministerin.

Wenn dann der Herr Bundeskanzler kommt und Sie noch mit großen Worten verteidigt und sagt: Wir haben alles richtig gemacht!, dann ist er mit Ihnen – und jetzt bleibe ich in der Diktion des Herrn Bundesministers – ein Mittäter und ein Wiederholungstäter. Frau Altmann hat Ihnen nämlich, durch ihre Anwälte vertreten, vielfach Angebote gemacht – wissend, dass diese Bilder für die österreichische Kultur- und Kunst­geschichte wesentliche Objekte sind –, in Verhandlungen zu treten. Sie haben ihr nicht


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