Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / Seite 57

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So gesehen von unserer Seite also keine fundamentalistische Ablehnung, sondern ein kritische Analyse dessen, was die Sozialdemokratie und Herr Gusenbauer und natürlich auch Präsident Verzetnitsch heute gesagt haben und was mich jedenfalls sehr weit reichend an der Ernsthaftigkeit dieses Anliegens zweifeln lässt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun auch einige Bemerkungen zur Dienst­leistungsrichtlinie, zu einem Thema, das morgen im Europäischen Parlament in erster Lesung zur Diskussion stehen wird und für Donnerstag zur Abstimmung ansteht.

Was denkt sich die Sozialdemokratie dieses Landes, wenn es Donnerstag letzter Woche zu einem großen Kompromiss – er wurde als „Durchbruch“ bezeichnet – zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten Europas gekommen ist, wenn am Freitag letzter Woche Herr Swoboda, fürwahr kein Unbekannter, sondern ein promi­nenter, ein kompetenter Sozialdemokrat, gemeinsam mit unserem Othmar Karas diesen Kompromiss in Wien vorgestellt hat und er unter anderem auch darauf verwiesen hat, dass zum Beispiel Lohndumping, Sozialdumping auf Grund dieser Richtlinie und auf Grund dieses erzielten Kompromisses nicht mehr möglich sind? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was denkt sich eine Sozialdemokratie Österreichs, wenn in Punkt 3 ihres 10-Punkte-Programms gesagt wird, die EU-Dienstleistungsrichtlinie müsse überarbeitet werden, das angedachte Herkunftslandprinzip müsse unbedingt verhindert werden? – „Her­kunfts­landprinzip“, Herr Verzetnitsch, steht nicht mehr drinnen (Abg. Sburny: Das gibt’s aber trotzdem noch immer!), und das, was drinnen steht, ist von den Sozial­demokraten akzeptiert worden, von Ihrem Herrn Swoboda und von vielen anderen begrüßt worden, und auch ich meine, dass es eine gute Basis für die weitere Tätigkeit ist.

Man fragt sich also als zuständiger Arbeitsminister: Wo ist die Ernsthaftigkeit bei dem Anliegen, eine Sondersitzung abzuhalten, und man merkt die Absicht und ist ein wenig verstimmt, wenn man den Dingen auf den Grund geht. Ich sage einmal, und das ist mehr als ein Verdacht, dass Sie den Österreichern über Wochen Angst machen und Sorge bereiten wollten, dass eine Arbeitslosigkeit von über 400 000 zu befürchten wäre. Sie haben genau gewusst, dazu würde es nicht kommen, aber Sie wollten da auf dem Rücken der Arbeitnehmer ein frivoles Spiel treiben – und Sie tun es noch. Distanziert davon haben Sie sich heute nicht wirklich, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da Herr Professor Van der Bellen seitens der Grünen Kritik an der Verlängerung der Übergangsfristen durch die Bundesregierung, durch mein Haus, um drei Jahre geübt hat, meine ich: Es ist gut, dass auch das im Hohen Haus diskutiert wird. Abgesehen davon sind wir der Auffassung, dass die Kommission, bei aller Wertschätzung ihrer Arbeit und ihres Berichtes, zwei ganz wesentliche Dinge nicht in den Bericht aufgenommen hat, nämlich die Frage der geographischen Verhältnisse in Europa, etwa Nähe Wien – Bratislava im Vergleich zum Beispiel zu Prag – London, dass die Europäische Kommission auch nicht wirklich ein Szenario durchgerechnet hat im Hinblick darauf: Was wäre in Österreich geschehen, hätten wir von den Übergangs­fristen in den ersten zwei Jahren nicht Gebrauch gemacht?

Darf ich Sie schon darauf verweisen, dass Österreich heute schon jenes Land ist, neben den Deutschen und den Spaniern, das auf seinem Arbeitsmarkt den höchsten Anteil an Drittstaatsangehörigen hat und dass wir uns vor nichts und niemandem in Europa verstecken müssen, was unsere Akzeptanz ausländischer Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern oder überhaupt aus Nicht-EU-Ländern anbelangt. Das sei schon einmal mehr sehr deutlich gesagt.

 


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