Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / Seite 108

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aber mit diesem seltsamen Entwurf passiert genau das Gegenteil. Und er erklärt uns immer wieder, wir wollen ein entwickelter Börseplatz sein.

Was passiert? Wenn ein Kleinaktionär, ein Aktionär, der an einer Gesellschaft beteiligt ist, damit konfrontiert ist, dass von heute auf morgen sich plötzlich die Beherrschungs­verhältnisse in dieser Gesellschaft ändern, dann soll er reagieren können. Ein Beispiel: In einem Unternehmen, das Autoreifen herstellt, gibt es einen beherrschenden Aktionär, der damit nichts zu tun hat. Plötzlich übernimmt die Herrschaft in diesem Unternehmen ein anderer Autoreifenhersteller, und es zeichnet sich ab, dass die Gesellschaft hier in Österreich zukünftig eine andere Rolle spielen wird als in der Vergangenheit, weil man weiß, dass etwa eine Überkapazität an Autoreifen am Markt ist und eine derartige Übernahme, noch dazu, wenn es eine feindliche ist, durchaus auch dazu führen kann, dass hier einfach nur Standorte geschlossen werden.

Jetzt soll der Aktionär natürlich die Möglichkeit haben zu sagen, wenn eigentlich von seinem ursprünglichen Investment, bei dem er sich gedacht hat, ich bin bereit, in diese Branche zu investieren, nichts mehr übrig ist und er sieht, dass plötzlich zum Beispiel ein deutscher Autoreifenhersteller das Unternehmen übernimmt und möglicherweise schließen wird: Da möchte ich nicht mehr mit dabei sein! Ich möchte meine Aktien verkaufen, und zwar zu dem Betrag, zu dem der Neue, dieses deutsche Unternehmen beispielsweise, selbst die Aktien erworben hat. Und das geht nicht, Herr Kollege Molterer! (Abg. Mag. Molterer: Bei der AMAG geht das nicht!)

Das geht deshalb nicht, weil Sie es ganz einfach nicht wollen, weil der Herr Molterer vielleicht oder der Herr Schüssel sagt: Wir wollen uns nahe Stehenden nicht weh tun, daher machen wir Folgendes. Es gibt in Österreich – und das wissen wir alle – Studien dazu, das hat sogar die Übernahmekommission in ihrer extremen Zurückhaltung zum Ausdruck gebracht. Es gibt Hauptversammlungen, und das ist das Maßgebliche, Aktionärsversammlungen, wo man schaut, wer aller vorhanden ist. Und üblicherweise ist es in Österreich so, dass zirka zwischen 12 und 15 Prozent der Anwesenden die Mehrheit haben, weil es eben so ist, dass nicht mehr kommen als 25 bis 30 Prozent. Eigentlich sollte man deshalb auch davon ausgehen, bei 15 bis 20 Prozent tritt die Beherrschung ein. Das trifft aber nicht zu, denn Sie legen uns einen Entwurf vor, in dem steht: Unter 26 beziehungsweise unter 30 Prozent reden wir nie von einer Mehrheit.

Das führt dazu, dass man natürlich in einem Unternehmen bis 26 Prozent Anteile erwerben kann, ohne dass es zu der Verpflichtung kommt, den Kleinaktionären den gleichen Betrag zu bezahlen, damit diese aus der Gesellschaft aussteigen, die zukünftig ja nicht mehr ihre sein wird, und das nur deshalb, weil Sie per Gesetz dekretieren: Bis zu 26 beziehungsweise 30 Prozent gibt es keine Beherrschung, auch wenn es zwanzig Mal eine Beherrschung ist. (Abg. Mag. Ikrath: Das ist europäischer Standard!) – Dieser europäische Standard, Kollege Ikrath, besteht eben nicht, sondern der europäische Standard sagt, dass man sich ganz genau anschauen muss, in welchem Land welche Mehrheiten gegeben sind. In England sind 30 Prozent – da gebe ich dir Recht – eine Mehrheit, weil dort 50 bis 60 Prozent jeweils anwesend sind. In Österreich ist es genau die Hälfte.

Den englischen Standard jetzt auf die österreichischen Verhältnisse zu übertragen bedeutet ganz einfach den Versuch, auf eine komplexe Frage eine einfache Antwort zu geben oder einfach die tatsächlichen Verhältnisse zu beugen, zu brechen und ein Gesetz zu machen, das eigentlich nichts anderes ist als die Bedienung einer Interes­sengruppe. Das ist schade für das Land, weil es natürlich so ist, dass man ganz genau schaut: Was passiert jetzt in Österreich? – Wenn wir da wieder in die Bananenrepublik zurückfallen (Abg. Mag. Regler: Also nein! Nein!) und wenn man sagt, das ist ohnedies egal, weil man natürlich jederzeit bis zu 30 Prozent erwerben kann, dann ist das


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