Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll145. Sitzung / Seite 25

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In den letzten Tagen haben ÖVP-Politiker beteuert, Österreich sei immer noch auf Anti-Atomkurs. Die Fakten sprechen leider eine völlig andere Sprache – eine völlig andere Sprache! –, und man muss jetzt, gegen Ende der österreichischen EU-Ratsprä­si­dent­schaft und rund um den Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986, leider feststellen, dass unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft die Europäische Union sehr viel stärker wieder auf Atomkurs ist als noch vor wenigen Monaten.

Wesentliche Entscheidungen, die in diesen Monaten und Wochen in Richtung Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomkraft hätten getroffen werden können, sind unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nicht verfolgt worden. Im Gegenteil: Die Europäische Union ist wieder voll auf Atomkurs eingeschwenkt – dafür gibt es einige Belege –, und das ist ein Armutszeugnis für unseren Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nicht genug damit, dass es ÖVP-Abgeordnete gibt, die im Europaparlament immer wieder für Atomenergie gestimmt haben – und dafür gibt es einige Belege –, haben auch die Minister dieser Bundesregierung bei wesentlichen Weichenstellungen in den letzten Tagen pro Atom agiert und damit gegen den Willen der österreichischen Bevöl­kerung gehandelt. Ich kann Ihnen das gleich jetzt noch einmal vor Augen führen, Herr Umweltminister – ich weiß nicht, ob man zu Ihnen überhaupt „Umweltminister“ sagen kann.

Die zuständige Forschungsministerin für das Forschungsprogramm in der Euro­päischen Union, Ministerin Gehrer, hat eine Aufstockung der EU-Atomforschung tat­sächlich als „sensationell“ bezeichnet. Sie behauptet tatsächlich, dass eine Forschung in neue Reaktorsysteme, in neue Reaktorengenerationen, in die so genannte Reaktor­generation IV, ein Fortschritt sei, dass es hier nur um zusätzliche Sicherheit gehe. Und Sie versuchen noch dazu, das mit irgendwelchen Zahlen als positiv hinzustellen.

Faktum ist, dass unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ein lange dis­kutiertes Thema abgeschlossen wird, nämlich das Forschungsrahmenprogramm, mit dem Ergebnis, dass für die Atomforschung das Dreifache von dem ausgegeben wird, was es im letzten Forschungsprogramm gegeben hat. Das ist, glaube ich, nicht nur gegen den Willen der österreichischen Bevölkerung, sondern Sie haben offensichtlich auch vergessen, dass es einen aufrechten Nationalratsbeschluss gibt, der die Bun­desregierung explizit dazu verpflichtet – ich betone: explizit dazu verpflichtet! –, die Nuklearforschung zu reduzieren und verstärkt in erneuerbare Energien und in Ener­gieeffizienz zu investieren. Sie agieren bewusst gegen einen aufrechten Beschluss dieses Hohen Hauses. Wie soll ich das anders bezeichnen als einen Pro-Atom-Kurs der ÖVP? – Mir fällt keine andere Bezeichnung dazu ein. (Beifall bei den Grünen.)

Die Ministerin muss dieses Forschungsprogramm verantworten. Wenn man sich die Zahlen, die trockenen Zahlen, noch einmal vor Augen führt, dann kann man sehen: Es ist das gesamte Forschungsvolumen reduziert worden, sogar deutlich reduziert wor­den, nämlich um 20 Milliarden €. Das ist beklagenswert. Aber dass trotz dieser Reduk­tion des Gesamtforschungsvolumens die Mittel für die Nuklearforschung aufgestockt werden, verdreifacht werden, mittlerweile das Siebenfache von dem ausmachen, was die Gelder für die Forschung im Bereich erneuerbarer Energieträger ausmachen, ist unverständlich. Da frage ich Sie schon, Herr Minister: Wie können Sie das recht­fertigen?

Es gibt dafür keine Rechtfertigung! Sie wissen, dass wir seit Jahren in diesem Hohen Haus diese Sache diskutieren, dass wir seit Jahren auch davor warnen, einem solchen Programm zuzustimmen. Ministerin Gehrer aber bezeichnet es als „sensationell“, und ich nehme an, dass das bedeutet, dass die österreichische EU-Ratspräsidentschaft


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