Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll145. Sitzung / Seite 181

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aller Konsequenzen von Fakten getragen und von Fakten ausgehend getroffen werden müssen.

Der Rat von Brüssel hat 2004 die Beitrittsverhandlungen bereits für vollzogen, für vollendet, für gelungen erklärt. Beitrittsdatum ist entweder der 1. Jänner 2007, wie wir vielfach gehört haben, oder ein Jahr darauf. Ob diese Verschiebungsklausel in Anwendung gebracht wird, wird sich jetzt – am 16. Mai, haben wir eben gehört – entscheiden. Da frage ich mich schon, so wie ich mich beim ersten Teil dieser Ratifizierung schon gefragt habe: Warum die Eile? Warten wir doch den Bericht der Kommission einmal ab. Das wäre doch eine Möglichkeit, die Entscheidung sodann begründeter zu treffen.

Ich sehe die Dinge so wie Sie, Herr Abgeordneter Schieder, nur ziehe ich einen anderen Schluss daraus: Sie haben Recht, wenn es schwer wiegende Mängel gibt, ist natürlich die Erwartung, die Hoffnung, durch Behebung dieser Mängel den Beitritt zu erzielen, eine bessere Maßnahme. Sind es nur leichte Mängel, mag ein Monitoring ausreichen. Allerdings sagen Sie auch, dass Sie hoffen, dass es dazu nicht kommt, denn es wäre doch eine – ich würde es so ausdrücken – demütigende Maßnahme, und so sehe ich es auch. So würde ich nicht vorgehen!

Ich würde wirklich auch im Interesse der Völker, der Bevölkerung dort verlangen, dass ein bestimmtes Niveau erreicht ist, und dann gibt es den Beitritt. Ich würde nicht den Beitritt vollziehen lassen und gleichzeitig sagen, ich schaffe ein Mitglied zweiter Klasse. Ich denke nicht, dass das der Beziehung der Völker untereinander gut tut.

Wie schaut es nun aus in Bulgarien und Rumänien? Jeder weiß – und möglicherweise wird das die Kommission darlegen –, dass die Standards in Justiz und Verwaltung nicht die sind, die wir in Europa gemeinhin haben und haben wollen. Korruption ist dort gang und gäbe, und da nützt natürlich ein Monitoring nicht viel, denn was machen wir dann, wenn sich das nicht bessert? Und dass hier etwas geschieht, das sind wir den Bürgern auf jeden Fall schuldig.

Eine Frage ist auch, inwieweit die Volkswirtschaften bereits darauf vorbereitet sind. Wir wissen, dass allein für Österreich in den nächsten drei Jahren eine Summe von 200 Millionen € fällig sein wird, um die Volkswirtschaften überhaupt den Beitritt verkraften zu lassen. Das ist die eine Seite.

Die zweite Seite der Interessenabwägung ist die Frage der Aufnahmefähigkeit der Euro­päischen Union. Nach jedem Votum gegen Ihre Politik, das Sie von den Bürgern bekommen, nach jeder Abstimmung, die Sie nicht gewinnen, heißt es dann in Sonntagsreden: So, jetzt machen wir wirklich einmal einen Punkt, jetzt überlegen wir uns das, jetzt machen wir einen Stopp, das muss alles erst verdaut werden! – Das wird aber nur gesprochen, getan wird ganz etwas anderes. Das ist eine geschickte Methode und Taktik, das eine zu sagen und das andere zu tun. Das bringen Sie hier hervor­ragend zur Anwendung.

In Wahrheit heißt die Strategie: weitermachen, Fakten setzen, Abstimmungen ver­meiden, wenn es leicht geht. Und so kommen Sie voran. Ich wundere mich, dass sich manche wundern, warum die Bevölkerung das nicht billigt.

Wenn hier von einem nationalen Konsens die Rede ist, verwechseln Sie etwas, bedauerlicherweise, muss man mittlerweile sagen. Sie verwechseln den Konsens Ihrer vier Parteien mit einem nationalen Konsens, doch der findet längst nicht statt.

Ehrlich war auch, dass gesagt wurde, dass das nicht nur das Ende der ersten Erweite­rungsrunde, sondern auch das Aufbruchsignal für die nächste sein wird. Ich meine schon, dass man es nicht mit der Floskel, wir sichern mit der Erweiterung und mit dem Ausbau der EU Frieden, Freiheit und Wohlstand, bewenden lassen kann, denn wenn


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