Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 150. Sitzung / Seite 18

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10.10.02

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir alle wissen, dass das Ehe- und Familien­recht ein besonders sensibler Rechtsbereich ist. Ich denke, das brauche ich in diesem Kreise, insbesondere im Hohen Hause, nicht besonders anzusprechen. Wir wissen ja, dass es bei der letzten Eherechtsnovelle doch zirka zwölf Jahre gedauert hat, bis sie dann tatsächlich das Licht der Welt erblickt hat. Es sind aber doch noch einige Sachen enthalten, die wir heute auch nicht mehr als zeitgemäß empfinden.

In der Diskussion im Zusammenhang mit meinem – ich sage es einmal so – kleinen Familienrechtspaket, das ich jetzt in Begutachtung geschickt habe, musste ich auch feststellen, dass es sich hiebei wirklich um einen sehr sensiblen Bereich handelt, über den wir sehr lange und sehr ausführlich diskutieren müssen. Besonders wichtig ist mir auch, dass es für sämtliche familienrechtliche Änderungen eine große gesellschaftliche Akzeptanz gibt. Das ist etwas, was besonders bedeutend und wichtig ist.

Wenn wir uns die Familienentwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte vor Augen führen, so erinnern wir uns sicher noch alle gut an die Großfamilien – sie waren früher gang und gäbe. Mittlerweile hat sich die Gesellschaft in Richtung Kleinfamilien entwi­ckelt. Es gibt sogar Gattenfamilien, wo nur zwei Ehegatten zusammenleben. Wir stel­len auf der einen Seite fest, dass die Zahl der Eheschließungen ständig sinkt, auf der anderen Seite aber die Zahl der „Patchworkfamilien“ steigt. Im Steigen begriffen ist auch die Zahl der Zweitehen, was, wenn man das Modell der Ehe hochhalten möchte, durchaus zu begrüßen ist.

Wichtig ist auch – auch das muss uns, wenn wir über Familien- und Eherecht und Part­nerschaften diskutieren, klar sein –, dass das Familienrecht auf der einen Seite gene­rell Konfliktregelungscharakter hat, auf der anderen Seite aber auch durchaus steuernd wirken kann in Richtung Prävention und Verhaltenssteuerung, wie wir mit unseren Fa­milien in unserem Staate umgehen wollen. Genau darauf müssen wir Bedacht neh­men, wenn wir familienrechtliche Änderungen diskutieren wollen.

Wir müssen aber auch Bedacht darauf nehmen, dass wir mit unserem Rechtssystem nicht der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinken. Das ist auch etwas, was be­sonders wichtig ist. Unter diesem Ansatz und aus diesem Blickwinkel habe ich auch jetzt die Änderungen im Zusammenhang mit dem Familienpaket gesehen. Ich bin sehr froh darüber, dass es kommt, und hoffe, dass es die Begutachtung positiv passieren wird.

Wir müssen auch darauf Bedacht nehmen, dass sich das Familienrecht von einem eher patriarchalischen System, von dem wir uns Gott sei Dank schon vor langer Zeit verabschiedet haben, in ein partnerschaftliches Familienmodell geändert hat. Aber ich sehe trotzdem heute hier noch großen Handlungsbedarf in die Richtung, in diesem Be­reich noch weitere Änderungen durchzuführen. Ich meine, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode, beginnend schon jetzt in dieser Legislaturperiode – deswegen ha­ben wir auch heute hier diese Aktuelle Stunde, zu der ich sehr gerne gekommen bin –, mit der Fortentwicklung des Ehe-, Familien- und vor allem auch des Scheidungsrech­tes werden auseinander setzen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich möchte Sie nur ganz kurz mit Zahlen quälen. Wir haben bei unserer Familien-En­quete einen Statistiker zu Gast gehabt, Universitätsdozent Dr. Kytir, der im Zusammen­hang mit dem Jahr 1964 als dem „goldenen Zeitalter der Familie“ gesprochen hat – ich bin im „goldenen Zeitalter der Familie“ geboren. Damals gab es noch 57 533 Ehe­schließungen, mittlerweile hat sich die Zahl bei rund 38 000 bis 40 000 Eheschließun­gen eingependelt; im Jahr 2005 waren es 39 030 Eheschließungen. Wir sehen also, die Zahl der Ehen geht zurück, und das sollte uns zu denken geben.

 


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