Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / Seite 65

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Österreich eigentlich ohnedies alles wunderbar, und in der EU im Übrigen auch; die einzige Gefährdung, die dieser Kontinent und im Speziellen Österreich als kleines Land habe, seien – ich simplifiziere jetzt bewusst, nicht deshalb, um Sie zu provozieren, sondern weil sich das nur so zusammenfassen lässt – „die Ausländer“, nämlich die irregulären, illegalen Einwanderer, die, die auf den Arbeitsmarkt strömen, die Men­schen, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen? Es sind immer die von außen!

Niemand kommt auf die Idee, dass das vielleicht auch etwas mit der Situation zu tun hat, die im Land selbst herrscht, mit der Verunsicherung der Menschen, was ihre künftigen Pensionen betrifft, was ihre Arbeitsplätze betrifft und das, was die Politik jetzt an negativem Spektakel bietet. Dazu gehört auch das Thema BAWAG – das gestehe ich ein –, dazu gehört auch die Krise des Gewerkschaftsbundes. Das ist die Verun­sicherung, die es in diesem Land gibt, und die konkrete Bedrohung für die Menschen. Dem sollten Sie sich widmen!

Jetzt komme ich auf Herrn Präsidenten Borrell zu sprechen. – Frau Partik-Pablé, das ist wirklich ein bemerkenswerter Mann! Ich kenne die Rede, die Sie zitiert haben, nicht, aber vor einem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der sagt, eigentlich sollten sich die Sozialminister mit Flüchtlingspolitik befassen, habe ich tatsächlich Respekt! Das ist nämlich genau jener Ansatz, den die Grünen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene – und ich muss jetzt sagen: Borrell ist kein Grüner! – eingebracht haben, nämlich zu sagen: Der Zugang zur Integrationspolitik, zur Flüchtlingspolitik kann nur über Sozialpolitik geschehen! (Beifall bei den Grünen.)

Denn anders wäre es nicht zu erklären, meine Damen und Herren, dass die Frau Bundesministerin davon spricht, dass man an den EU-Außengrenzen, beispielsweise in der Ukraine, Schutzzentren für Flüchtlinge errichten will – und unter dem Wort „Schutz­zentren“ nicht etwa versteht, dass man den Menschen dort Schutz vor Verfolgung bietet, sondern dass Europa sich schützt vor diesen Menschen! Das ist nämlich die Bedeutung von „Schutzzentren“ in diesem Zusammenhang.

Frau Bundesministerin Prokop, ich würde Sie wirklich dringend bitten, einmal solch ein so genanntes Lager in der Ukraine zu besuchen. Ich hatte persönlich auch noch nicht die Gelegenheit dazu, aber ich habe mit mehreren, mit zahlreichen Caritas-Mitarbeitern gesprochen, die dort waren und dort gearbeitet haben. Diese so genannten Lager sind nichts anderes als Gefängnisse! Wenn jemand einmal, egal woher er kommt, egal welche Fluchtgründe er hat, egal welches Schicksal er hinter sich hat, in solch ein Lager in der Ukraine kommt, dann ist er dort gefangen, und dort bleibt er gefangen!

Und Sie unterstützen das auch noch weiter! Sie wollen diese großen Gefängnisse, die sich „Sammellager“ nennen – manche sagen verbrämt oder irgendwie euphemistisch „Schutzzentren“ –, zu einer europäischen Institution machen? – Das ist nicht mein und unser Verständnis eines Beitrags zur Bewältigung dieser wahrlich großen Heraus­forderung, die mit internationalen Fluchtbewegungen zu tun hat – denn die gibt es weltweit, die gibt es auch in Europa –, und auf der anderen Seite mit der Herausfor­derung, was internationale Migrationsbewegungen angeht.

Nicht mit Gefängnissen, nicht mit High-tech in der Ukraine und auch nicht mit High-tech an den Grenzen im Süden von Europa wird das zu bewältigen sein, sondern durch eine Politik, die sich mehreren Gebieten widmet, nämlich: in jenen Ländern selbst, aus denen diese irregulären MigrantInnen hauptsächlich kommen, Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Menschen dort eine Chance haben, ihre Familien zu ernähren, ihren Familien ein Fortkommen zu ermöglichen und in vielen Fällen ihnen schlicht einfach das physische Überleben zu sichern.

Das ist doch der Grund dafür, dass sich Menschen in kleine Fischerboote setzen und über das Mittelmeer nach Spanien gelangen wollen! 10 000 von ihnen sind in den


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