Nach § 1 Abs. 1 lit. e
Notariatsaktgesetz besteht derzeit grundsätzlich eine Notariatsaktspflicht für
die Errichtung von Urkunden über Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die von
blinden Personen bzw. von gehörlosen Personen, die nicht lesen, oder stummen
Personen, die nicht schreiben können, geschlossen werden, sofern es sich nicht
um Geschäfte des täglichen Lebens handelt, die von einer Vertrauensperson
mitunterfertigt werden, oder um die Begründung eines Girokontos; auf die bei
Fehlen eines an sich erforderlichen Notariatsaktes daraus resultierende
Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes kann sich nach § 1 Abs. 3 NotariatsaktG nur
die behinderte Person berufen. Dieses zum Schutz der behinderten Menschen
vorgesehene erhöhte Formerfordernis ist nach § 4a des Notariatstarifgesetzes
idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 auch gebührenbefreit worden.
Im Jahr 2004 wurden
von allen österreichischen Notaren unter dem Titel der oben angesprochenen
Notariatsaktspflicht mit Gebührenbefreiung 262 Notariatsakte mit Beteiligung
von behinderten Personen an cyberDOC gemeldet. Das bedeutet, dass von einer
Jahresgesamturkundenzahl von 88.827 (100 %) nur 0,29 % von Menschen mit
Behinderung stammen. Für das Jahr 2005 wurden 225 Urkunden gemeldet. Dies
zeigt, dass die Zahl dieser Urkunden von Menschen mit Behinderung pro Jahr
marginal ist.
Nach eingehender Diskussion des Bundesministeriums für Justiz mit den
einschlägigen Interessensvertretungen der sehbehinderten und blinden Menschen,
der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation als
Dachorganisation der Behindertenverbände und der Österreichischen
Notariatskammer wurde ersichtlich, dass es dem Gedanken der
Behindertengleichstellung, der Führung eines selbstbestimmten Lebens von
Menschen mit Behinderungen und einer zeitgemäßen Wahrung der Rechtssicherheit
besser entspricht, den betroffenen behinderten Menschen als Mittel des
Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit auf ihren freien Wunsch das Institut
des Notariatsaktes als Serviceleistung des Österreichischen Notariates zur
Verfügung zu stellen. Das bislang bestehende Institut des Notariatsaktszwanges
zum Schutz behinderter Menschen erscheint vor dem Hintergrund der bekannten
jährlichen Fallzahlen und der seit der Novelle BGBl. I Nr. 98/2001 bestehenden
zahlreichen Ausnahmen von der grundsätzlichen Notariatsaktspflicht aus
Rechtssicherheitsüberlegungen und aus Gründen der Grundsätze der
Behindertengleichstellung weitestgehend überkommen.
Die Umwandlung der bisherigen Notariatsaktspflicht in ein Recht der
behinderten Person auf Inanspruchnahme der gebührenbefreiten Serviceleistung
eines Notariatsaktes erscheint aus rechtspolitischen und rechtsdogmatischen
Gründen auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, als es sich bei dem bisherigen
Tatbestand des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatsaktG um eine Personenschutznorm und
im Gegensatz dazu bei den übrigen Tatbeständen - § 1 Abs. 1 lit. a bis d – um
Schutznormen zugunsten Dritter – insb. Gläubigerschutz – handelt.
Im Begutachtungsentwurf des Begleitgesetzes zum Behindertengleichstellungsgesetz
war auch eine Änderung des Notariatsaktsgesetzes vorgesehen, nach der die Notariatsaktspflicht
für behinderte Menschen in bestimmten Fällen entfallen sollte. Diese Änderung
wird derzeit jedoch noch nicht vorgeschlagen. Die Ergebnisse im Begutachtungsverfahren
haben gezeigt, dass diesbezüglich noch weitere legislative Überlegungen unter
Einbeziehung von Vertretern der Behindertenverbände und der Österreichischen
Notariatskammer seitens des Bundesministeriums für Justiz anzustellen sind.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden