Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 153. Sitzung / Seite 145

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Nach § 1 Abs. 1 lit. e Notariatsaktgesetz besteht derzeit grundsätzlich eine Notariats­aktspflicht für die Errichtung von Urkunden über Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die von blinden Personen bzw. von gehörlosen Personen, die nicht lesen, oder stummen Personen, die nicht schreiben können, geschlossen werden, sofern es sich nicht um Geschäfte des täglichen Lebens handelt, die von einer Vertrauensperson mitunter­fertigt werden, oder um die Begründung eines Girokontos; auf die bei Fehlen eines an sich erforderlichen Notariatsaktes daraus resultierende Ungültigkeit des Rechts­geschäftes kann sich nach § 1 Abs. 3 NotariatsaktG nur die behinderte Person berufen. Dieses zum Schutz der behinderten Menschen vorgesehene erhöhte Form­erfordernis ist nach § 4a des Notariatstarifgesetzes idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 auch gebührenbefreit worden.

Im Jahr 2004 wurden von allen österreichischen Notaren unter dem Titel der oben angesprochenen Notariatsaktspflicht mit Gebührenbefreiung 262 Notariatsakte mit Beteiligung von behinderten Personen an cyberDOC gemeldet. Das bedeutet, dass von einer Jahresgesamturkundenzahl von 88.827 (100 %) nur 0,29 % von Menschen mit Behinderung stammen. Für das Jahr 2005 wurden 225 Urkunden gemeldet. Dies zeigt, dass die Zahl dieser Urkunden von Menschen mit Behinderung pro Jahr marginal ist.

Nach eingehender Diskussion des Bundesministeriums für Justiz mit den ein­schlägigen Interessensvertretungen der sehbehinderten und blinden Menschen, der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation als Dachorganisation der Behindertenverbände und der Österreichischen Notariatskammer wurde ersichtlich, dass es dem Gedanken der Behindertengleichstellung, der Führung eines selbst­bestimmten Lebens von Menschen mit Behinderungen und einer zeitgemäßen Wahrung der Rechtssicherheit besser entspricht, den betroffenen behinderten Men­schen als Mittel des Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit auf ihren freien Wunsch das Institut des Notariatsaktes als Serviceleistung des Österreichischen Notariates zur Verfügung zu stellen. Das bislang bestehende Institut des Notariatsaktszwanges zum Schutz behinderter Menschen erscheint vor dem Hintergrund der bekannten jährlichen Fallzahlen und der seit der Novelle BGBl. I Nr. 98/2001 bestehenden zahlreichen Ausnahmen von der grundsätzlichen Notariatsaktspflicht aus Rechtssicherheits­überlegun­gen und aus Gründen der Grundsätze der Behindertengleichstellung weitestgehend überkommen.

Die Umwandlung der bisherigen Notariatsaktspflicht in ein Recht der behinderten Person auf Inanspruchnahme der gebührenbefreiten Serviceleistung eines Notariats­aktes erscheint aus rechtspolitischen und rechtsdogmatischen Gründen auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, als es sich bei dem bisherigen Tatbestand des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatsaktG um eine Personenschutznorm und im Gegensatz dazu bei den übrigen Tatbeständen - § 1 Abs. 1 lit. a bis d – um Schutznormen zugunsten Dritter – insb. Gläubigerschutz – handelt.

Im Begutachtungsentwurf des Begleitgesetzes zum Behindertengleichstellungsgesetz war auch eine Änderung des Notariatsaktsgesetzes vorgesehen, nach der die Notariats­aktspflicht für behinderte Menschen in bestimmten Fällen entfallen sollte. Diese Änderung wird derzeit jedoch noch nicht vorgeschlagen. Die Ergebnisse im Begutachtungsverfahren haben gezeigt, dass diesbezüglich noch weitere legislative Überlegungen unter Einbeziehung von Vertretern der Behindertenverbände und der Österreichischen Notariatskammer seitens des Bundesministeriums für Justiz anzustellen sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 


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