Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 68

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Verfassung, Artikel 1 Absatz 6, Folgendes: Vorrang des EU-Rechts vor allen Rechtsbe­stimmungen der Einzelstaaten. – Das betrifft eindeutig auch unsere Bundesverfassung. Der Satz „Ihr Recht geht vom Volk aus“ ist damit erledigt. Das ist nicht mehr so, sondern es heißt dann: Das Recht wird in Brüssel gemacht.

Selbst dann, wenn man ein anderes Rechtsgutachten heranzieht und sagt: Das hat  doch nur eine Teiländerung der Bundesverfassung zur Folge!, was aber schwer zu argumentieren ist, bleibt es doch politisch so. Es hätte jedenfalls eine Volksabstim­mung geben müssen.

Wenn Sie jetzt sagen: Was die Frage des Vorranges des EU-Rechts betrifft, so haben wir das bis jetzt schon so gehalten!, dann muss ich Ihnen erwidern: So ähnlich ist es in der Neutralitätsdebatte. Denn: Damit, dass Sie eine Abstimmung deswegen, weil man die Bürger bis jetzt noch nicht befragt hat, ob sie den endgültigen Souveränitätsverzicht haben wollen, nicht durchführen, wenn dieser auch noch festgeschrieben wird, entlasten Sie sich nicht, sondern klagen sich vielmehr an.

Was die europaweite Volksabstimmung betrifft, so muss ich sagen: Das ist ein weiterer Griff in die Trickkiste, denn diese Volksabstimmung setzt ja voraus, was erst ge­schaffen werden soll: ein Staatsvolk und einen Staat, den europäischen Zentralstaat. – Den wollen Sie schaffen – wir nicht! Aber den müsste es für ein europaweites Referendum geben.

Was außerhalb Österreichs schon ein bisschen auffällt, das ist das doch etwas schlampige Verhältnis zu Recht und Rechtsstaat. Ich darf Ihnen dazu einen Kom­mentar aus der Zeitung „Die Welt zitieren. Da heißt es:

„Der österreichische Bundeskanzler will am Ende seiner recht glücklosen Ratsprä­sident­schaft den EU-Verfassungsvertrag retten und setzt auf ein europaweites Referendum. Zum Erfolg braucht es Mehrheit der Staaten und Mehrheit der Stimmen. Was so einfach klingt, hat keine Chance. Im Recht nicht, denn ein Referendum setzt Staat und Staatsvolk voraus. In der Wirklichkeit aber auch nicht. Zwar haben die meisten Parlamente bisher den Verfassungstext durchgewinkt. ‚Der große Lümmel‘ aber – das Volk, nach Heinrich Heine – hat zwei Mal nein gesagt. Was gibt dem Wiener Kanzler das Recht, auf den Umschwung zu rechnen? Die Politik will die Völker nachsitzen lassen, ohne viel zu ändern. Solche Arroganz führt nur weiter in die Legitimationskrise für alle Regierungen.“

So ist es! Und was die Österreicher betrifft, so bitte ich doch zuzubilligen, dass über die Aufgabe der Verfassung wenigstens einmal noch die Österreicher für sich entscheiden. Wir wollen uns nicht anmaßen, dass wir das über die Engländer machen dürfen, wir wollen aber auch nicht haben, dass sich die Italiener damit beschäftigen, ob wir unsere Verfassung aufgeben können. Das macht keinen demokratischen Sinn.

Drittens: Türkei-Beitritt. – Auch das ist ein Beispiel für doppelbödige Politik: Sie reden anders, als Sie handeln, Sie beruhigen, Sie setzen Schritt für Schritt, um Ihre Ziele zu erreichen.

Warum hat Österreich der Aufnahme von Verhandlungen zugestimmt? – Staats­sekretär Winkler hat dazu erklärt, wir hätten da alleine ... und so weiter ... im Falle der EU-Verfassung. – Sie wollen es nicht! Nur: Dann sagen Sie es auch! Sie haben nicht vor, wenn der Zug in Brüssel so ausgerichtet ist, Schwierigkeiten zu machen. Sie wollen es nicht, Sie haben zugestimmt. Sie zeigen sich hier skeptisch, treiben aber Schritt für Schritt den Prozess voran. Und Sie brechen – das muss man schon auch noch sagen – die Spielregeln, die Sie sich selbst gegeben haben, wenn Sie sich als politische Klasse in Brüssel treffen, denn die Kopenhagener Kriterien, die bestimmte Standards in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Einhaltung der Menschen-


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