Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 81

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ja gar nicht formuliert war. Es sind also einzelne Aspekte gewesen, die dann natürlich diese Debatte über das plebiszitäre Element in Gang gesetzt haben.

Gäbe es wirklich die Frage einer Verfassung und würden sich die europäischen Nationalstaaten wirklich zu einem, sage ich jetzt, Bundesstaat zusammenfinden, dann wäre das selbstverständlich plebiszitär zu legitimieren, und es würde nicht ausreichen, wenn man das über einen Ratifizierungsprozess der nationalen Parlamente machen würde. In diesem Punkt würde ich das also in der Argumentation von unserer Seite her noch verdeutlichen.

Was einen Türkei-Beitritt betrifft, möchte ich Folgendes hinzufügen. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, welches Modell einer Europäischen Union wir haben wollen, und zwar hinausgehend über die Frage der politischen, der wirtschaftlichen und vor allem der sozialen Union, die besonders wir immer wieder betonen. Ist die Europäische Union ein europäisches Modell? Oder soll sie ein euro-asiatisches Modell sein, soll sie ein euro-mediterranes Modell sein? Wenn sie das Letztere ist – und mit dem Türkei-Beitritt stellt sich diese Diskussion –; dann braucht man eine Legitimation über die Regierungen hinaus, wenn man das wirklich will, als nationale Regierung oder von den einzelnen Nationen her.

Ich selbst bin der Auffassung, dass man sich in einer europäischen Unionsdefinition auf den europäischen Kontinent im engeren Sinn beschränken sollte und dass man versuchen muss, die bisherigen Erweiterungen überhaupt institutionell zu verarbeiten. In Wirklichkeit muss man, wenn wir bald 27 Mitgliedstaaten haben, die Funktions­fähigkeit mit diesen 27 Mitgliedstaaten erst einmal absichern! Das ist noch nicht gelungen, das ist jedoch die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit.

Überdies findet meiner Auffassung nach auch eine Auseinandersetzung über den weiteren Weg statt. Soll es eine neoliberal orientierte Union sein? Oder soll es primär eine politische, wirtschaftliche, aber vor allem soziale Union sein? – Das muss auch entschieden werden, bevor man über zusätzliche Erweiterungen überhaupt nachdenkt, denn sonst kann der Verdacht entstehen: Es wird erweitert, damit man den Weg in eine neo-liberale Union findet!

Das sind einige dieser Grundsatzfragen, die von Bedeutung sind. Ich stimme zwar zu, wenn gesagt wird: zu Ukraine, Maghreb, Türkei spezielle, ganz enge partnerschaftliche Beziehungen!, aber jetzt muss die Europäische Union erst einmal mit den vorhandenen Mitgliedsländern versuchen, ihren Weg zu finden und ihre Identität wirklich klarer weiterzuentwickeln.

All denjenigen, die über die Selbstverteidigungsqualität als Voraussetzung für Enga­gements sprechen, sei noch Folgendes gesagt. Sollte wirklich einmal die Türkei beitreten, dann befinden wir uns in einer geopolitischen Lage, in der wir faktisch alle Krisengebiete in Konflikt mit der Europäischen Union von der Selbstverteidigung her zu diskutieren haben. – Das nur als kleine Anmerkung.

Letzter Punkt – und damit möchte ich schon schließen –: Auch ich schließe mich der Ansicht an, dass anlässlich des Besuches des amerikanischen Präsidenten auch hier im Hause klare Worte zum Irak-Krieg zu finden sind, klare Worte, wie sie von den Müttern gekommen sind, die gegen diesen Krieg protestieren und von denen sich eine jetzt hier in Österreich befindet. Sie hat sich sehr deutlich gegen diesen Krieg und für die Beendigung dieses Krieges geäußert, und sie hat auch die Rechtmäßigkeit dieses Krieges zu Recht in Frage gestellt, sie und viele andere, die ihre Söhne in diesem letztendlich sinnlosen Krieg verloren haben.

Zu Guantánamo kann man nur sagen: höchste Zeit, dass es geschlossen wird! Es wurde ja explizit dort errichtet, um es in einem möglichst rechtsfreien Raum zu errich-


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