Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 211

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und Jugendstrafrecht und so weiter. Es entsteht erst das, was man Kompetenz und Reife nennen kann.

Wir wissen aus der Lernforschung und Lernpsychologie, dass Jugendliche, Buben und Mädchen, erst spätestens mit 14 Jahren, frühestens mit 12 Jahren beginnen, zur Abstraktion fähig zu sein. Lesen Sie nach bei Jean Piaget! Frau Kollegin Schasching, lesen Sie Ihren Hartmut von Hentig ganz genau! Da ist Schule als Polis nicht für die Volksschüler gedacht. Also bitte noch einmal: bei der Wahrheit bleiben und nicht einer Schimäre nachlaufen, die Sie dann ohnedies nicht einholen können! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mitbestimmung, Mitverantwortung übernehmen bedeutet immer in gewisser Weise, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Das können Schü­lerinnen und Schüler mit sechs, sieben und acht Jahren nicht machen. Das können wir und das dürfen wir ihnen auch nicht zumuten, weil wir ihnen dann eine Verantwortung übertragen, die sie nicht ertragen, die sie nicht tragen, die sie nicht übernehmen können, weil sie sich der Reichweite gar nicht bewusst sind. (Zwischenruf der Abg. Riener.) Danke, Kollegin Riener, die Therapeutin weiß das aus der praktischen Erfahrung.

Also heucheln wir nicht, übertragen wir nicht Lasten, die wir eigentlich gerechtfertigter­weise jemandem ersparen müssen!

Ich denke zum Beispiel daran, was Frau Kollegin Grossmann gesagt hat, was die „Coole Schule“ vorgeschlagen hat, was schon Volksschülerinnen und Volksschüler entscheiden sollen. Sie hat nämlich gesagt: alle Entscheidungsbefugnisse, didaktische Vorschläge, neue Lehr- und Lernmaterialien. – Bitte, was weiß denn ein sechs- oder siebenjähriger Volksschüler über moderne Didaktik und Lehr- und Lernmaterialien und deren angemessenen Einsatz, wo manchmal die LehramtsstudentInnen erst in der Weiterbildung draufkommen müssen, was angemessen und modern ist? (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe vielmehr den Eindruck, hier geht es um einen mehrheitlich linken Populismus, wo es am Vormittag noch geheißen hat, Volksbegehren und deren Unterstützer werden benützt und ausgenützt. Auf der anderen Seite: Als ich vor kurzem mit Jugendlichen im Zusammenhang mit SOS-ORF gesprochen und dann nachgebohrt habe, warum sie wogegen sind, haben sie zugeben müssen, sie machen es, weil das einfach schick ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Selbst Personen hier herinnen, Gusenbauer, Broukal, haben in einer undifferenzierten Sprache von „unerträglichen Zuständen“ in den Schulen, von „Schocks“, die sie erfassen würden, gesprochen. Wenn man nun so undifferenziert und so hoch motiviert Kindern und Jugendlichen Verantwortung übertragen will, dann passt für mich vieles nicht zusammen.

Das Ganze manifestiert sich noch in einem „Krone“-Bericht von morgen, also heutige Abendausgabe: Bei der Bush-Demonstration war die „Zahnspangen-Generation“ vertreten. „,Zahnspangen-Generation“ protestiert gegen den Bush-Besuch“. SchülerIn­nen haben sich „schulfrei“ – unter Gänsefüßchen – genommen, 12- bis 16-Jährige haben über Bush gesprochen.

Wenn ich mich an die gestrige „ZiB 3“ erinnere, in der Tony Judt über die Komplexität des Verhältnisses Europa zu Amerika und Bush gesprochen hat und damit sichtbar gemacht hat, wie schwierig das zu verstehen ist, dann würde ich gerne wissen, mit welcher Reife und mit welchem Verständnis zwölfjährige Schülerinnen und Schüler mit der Anti-Bush-Puppe Demokratie und Bürgerbeteiligung üben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


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