Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 155. Sitzung / Seite 127

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Frau Bundesministerin, Ihre Antwort darauf – und ich nehme an, Sie haben diesen Brief beantwortet – ist mir nicht bekannt, aber Sie haben heute die Gelegenheit, bei der Beantwortung unserer Anfragen darauf einzugehen.

Zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Es handelt sich um ein achtjähriges Kind, ein Kind tschetschenischer Eltern. Der Vater des Kindes wurde verschleppt und gilt als verschollen, die Mutter ist mit ihren minderjährigen Kindern im Jänner dieses Jahres nach Österreich gekommen. Das ist ein typischer Fall traumatisierter Menschen.

Was dieses Kind betrifft, so denke ich mir, dieser Achtjährige wird vermutlich russisch als Muttersprache haben, ist im Jänner nach Österreich gekommen, wird vielleicht ab Februar die Schule besucht haben und zunächst einmal begreiflicherweise nur „Bahn­hof“ verstanden haben. Ich rate jedem Erwachsenen, sich einmal eine Woche lang täg­lich vielleicht vier Stunden in eine chinesische Schule zu setzen, um einmal zu sehen, was das in einem auslöst. Aber dieses Kind hat eine Chance! Es hat eine Chance, bei entsprechender individueller Förderung im Lauf der Zeit Deutsch zu lernen, sich in Österreich zu integrieren und vor allem in Sicherheit aufzuwachsen – und dann das! Uniformierte bewaffnete Polizisten holen ihn von der Schule!

Frau Bundesministerin, finden Sie das in Ordnung? Findet Bundeskanzler Schüssel das in Ordnung? Finden Sie vielleicht irgendwann Gelegenheit, solche Fälle mit ihm zu besprechen und darauf aufmerksam zu machen, dass im Rahmen des Fremdenrechts­pakets und anderer Gesetze ein Änderungsbedarf besteht? An dieser Stelle auch eine Erinnerung an die Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten: Sie haben diesem Fremdenrechtspaket zugestimmt. Haben Sie inzwischen bemerkt, was Sie da beschlossen haben?! (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Fall: Was ist uns in Österreich Familienleben wert? Frau Innenministerin Pro­kop und Bundeskanzler Schüssel werden nicht müde, sich und ihre Partei gerne als die wahre Familienpartei Österreichs zu sehen. (Abg. Murauer: So ist es!) „So ist es“, höre ich aus den Reihen der ÖVP. Herr Kollege (Abg. Murauer: Murauer ist mein Name!) – Murauer, ich weiß schon –, Herr Kollege Murauer, ich weiß nicht, ob Sie solche Fälle in den Zeitungen, in den Printmedien wahrnehmen. Über diesen Fall war im Fernsehen, im Radio, in den Printmedien von heuer berichtet worden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Murauer.) Herr Kollege, das sind Fälle, die die österreichische Rechtslage erzwingt, das ist ja gerade mein Punkt.

Eine legal in Österreich aufhältige Frau, in diesem Fall eine chinesische Staatsangehö­rige, heiratet in Österreich einen österreichischen Staatsbürger. Dagegen werden Sie vermutlich nichts einzuwenden haben. (Abg. Murauer: Kommt darauf an, aus welchem Grund!) „Kommt darauf an“, sagt Herr Kollege Murauer. (Abg. Schieder: Schande! – Abg. Murauer: Es gibt auch Scheinehen!) Gegen diese Frau aus China liegt nichts vor, nicht einmal die Behörden haben behauptet, dass es sich hiebei um eine Scheinehe handle. Das erzähle ich Ihnen jetzt, da Sie offensichtlich über diesen Fall nicht infor­miert sind – oder nicht informiert sein wollen.

Diese Frau stellt bei den zuständigen Behörden die entsprechenden Anträge auf Nie­derlassungsbewilligung in der Familiengemeinschaft, und es wird ihr erklärt, dass sie diese Anträge auf Grund des Fremdenrechtspakets nicht mehr in Österreich stellen darf. Nicht nur das wird ihr erklärt, sondern sie wird in Schubhaft genommen und nach China abgeschoben. Abgeschoben nach China!

Das Innenministerium hat in der Rechtfertigung dieser Vorgangsweise erklärt – ich zitiere wörtlich –, dass sie „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ dar­stelle. Gleichzeitig hat das Innenministerium durch die zuständigen Beamten – oder vielleicht waren Sie das persönlich, Frau Innenministerin – erklärt, dass einer – ich zitiere wörtlich – „neuerlichen Einreise selbstverständlich nichts im Wege steht“! – Ist


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