Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 155. Sitzung / Seite 126

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Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Seine Begründung darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


15.01.07

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Das General­thema jetzt ist „Integration“, und ich möchte zunächst anhand konkreter Beispiele auf­zeigen, wie wir in Österreich mit Kindern umgehen, wie viel uns in Österreich Familien­leben wert ist und, drittens, wie bestimmte Menschen in Österreich in Armut verfestigt werden. Und berufen Sie sich bitte nicht darauf, dass das Einzelfälle sind, denn das sind Fälle, für die wir eine Vielzahl weiterer Fälle bereitstellen könnten, und das sind Fälle – das ist wesentlich –, die durch die geltenden Gesetze, durch die geltende so genannte Rechtslage, beschlossen hier im Haus von ÖVP, BZÖ und SPÖ, geradezu erzeugt und erzwungen werden.

Zunächst zu den Kindern. – Mir liegt ein Schreiben vor seitens der Kinder- und Jugend­anwaltschaft Wien, an Sie gerichtet, Frau Bundesministerin Prokop, vom April dieses Jahres, und darin wird ein Fall geschildert, der auch durch die Medien gegangen ist, der Fall eines achtjährigen Buben. Ich zitiere auszugsweise aus diesem Schreiben; ich könnte es nicht besser formulieren.

Am 7. April erschienen zwei uniformierte und bewaffnete Polizisten in der Volksschule im 15. Bezirk. Im Zuge der Amtshilfe nahmen sie den achtjährigen Magomed fest – ein für den betroffenen Buben sowie für seine Mitschüler/Mitschülerinnen äußerst traumati­sierender Vorfall. Für viele Kinder kann das Erlebte bedeuten, dass auch sie jederzeit von der Polizei abgeholt und eingesperrt werden können.

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Es handelt sich dabei um achtjährige Kinder!

Die Direktorin hat den anderen Kindern geistesgegenwärtig eine Notlüge erzählt, näm­lich: dass es sich nur um eine Verkehrsübung handle. – Wie viele Kinder das geglaubt haben, weiß ich nicht, mir wäre in dieser Situation auch nichts Besseres eingefallen, aber dass die Rechtslage die Direktorin einer Volksschule zwingt, den Kindern eine Notlüge zu erzählen, das spricht schon für sich allein Bände! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Jugendanwaltschaft fragt weiter – eine Frage an Sie, Frau Bundesministerin –: Ist es in Österreich nun tatsächlich notwendig, gegen Kinder mit aller staatlichen Gewalt vorzugehen? Hätte es nicht andere, gelindere Mittel gegeben? Der betroffene Bub, aus einer tschetschenischen Familie übrigens, hat in seinem Leben bereits viel erlebt und durchgemacht. Nun erlebte er, dass er in einem Land, in dem er scheinbar sicher ist, von bewaffneten Polizisten abgeholt und eingesperrt wird.

Durch solche Aktionen werden Kinderseelen verletzt und ihre Rechte mit Füßen getre­ten!

Ich möchte Sie dringend ersuchen – schreibt die Jugendanwaltschaft an Sie, Frau Bun­desministerin, weiter –, eine Weisung zu geben, dass solche Vorkommnisse, die in Ös­terreich eigentlich in der Form nicht stattfinden sollten, nicht mehr geschehen.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs haben ersucht, das gelindeste Mit­tel gesetzlich zu verankern. Damals wurde vom Bundesministerium für Inneres argu­mentiert, es gäbe eine interne Vereinbarung, Kinder nicht in Schubhaft zu sperren. – So, wie es aussieht, hält sich niemand an dieses interne Papier.

 


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