Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 157. Sitzung / Seite 15

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öffentlich-rechtlichen Senders. Wenn er da verwechselbar wird mit beliebigen Privat­sendern aus dem deutschen oder sonstigen europäischen Raum (Abg. Scheibner: Die ersten tausend Seher haben schon abgeschaltet!), dann wird es bald zu Ende sein mit dem ORF, wie wir ihn kennen. Da verliert er Vertrauen – Vertrauen in die Objektivität und annähernde Vollständigkeit der Information durch den ORF. Er wird verwechselbar mit Privatsendern, auch im Programmbereich. Die Folge sind sinkende Marktanteile, sinkende Seher- und Seherinnenanteile, und die Konsequenz daraus sind natürlich sin­kende Werbeeinnahmen.

Meine Damen und Herren! Noch fünf Jahre mit dieser Politik, noch fünf Jahre mit die­ser Führung des ORF – und der ORF ist in seiner heutigen Form – oder ich sollte sa­gen: in seiner früheren Form, wie wir ihn noch gut kennen – klinisch tot! Dazu muss man allerdings sagen: Der ORF gehört immer noch der Republik Österreich – und nicht der ÖVP! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Der ORF gehört weder der ge­genwärtigen Bundesregierung, noch gehört er der ÖVP! Er ist nicht das Privateigentum der ÖVP!

Wenn Sie diese Politik weiterhin betreiben wollen, mit dieser Beherrschung der ORF-Führung, den maßgeblichen Personen in der Leitung, dann seien Sie doch ehrlich und marktwirtschaftlich korrekt – jetzt schaue ich gerade Sie an, Herr Kollege Stummvoll von der ÖVP –, dann kaufen Sie den ORF! (Beifall bei den Grünen.) Legen Sie ein vernünftiges Angebot, kaufen Sie den ORF, und ich weiß dann, wenn ich den ORF aufdrehe: Okay, jetzt kommen die Abendnachrichten von den geschätzten Kollegen von der Österreichischen Volkspartei. (Zwischenruf des Abg. Hornek.) Das wäre eine klare, faire Regelung. Spekulieren Sie aber nicht mit einem Kapital, das uns allen ge­hört: der Republik Österreich und allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes!

Ich weiß schon, Abgeordnete von der ÖVP werden jetzt hier herausgehen und sagen: Die Grünen wollen einen unzulässigen Einfluss auf künftige Entscheidungen für die Se­herinnen und Seher ausüben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich darf Sie beruhigen. Der Stiftungsrat fällt diese Entscheidungen, und in diesem Stiftungsrat haben die Grü­nen genau eine Stimme von 35! Wenn sich dort jemand durchsetzen kann – was ich nicht hoffe, aber die Gefahr besteht –, dann ist es die ÖVP! Eine Einflussnahme unse­rerseits wäre völlig absurd.

Zweitens werden Abgeordnete von der ÖVP hier herausgehen und sagen: Der ORF ist wunderbar, das ist ja alles nicht wahr, alles ist in Ordnung! (Ruf bei der ÖVP: Genauso ist es!) „Genauso ist es“, ich höre es ja jetzt schon aus dem Klub der ÖVP. – Dazu kann ich nur sagen: Ja, das Potenzial ist noch da, aber die Führung des ORF taugt nichts! Und Sie, die Seherinnen und Seher des ORF zu Hause, können das viel besser beurteilen als die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! So weit haben wir es gebracht!)

Meine Damen und Herren! Man sagt nicht zu Unrecht, dass in einer modernen Demo­kratie die Medien die „vierte Gewalt“ darstellen – neben der Gesetzgebung, neben der Administration und der Regierung, neben der Justiz und der Rechtssprechung. Das ist nicht falsch, glaube ich, und diese Medien haben Aufgaben: aufzudecken, Kontrolle auszuüben, und zwar eine Kontrolle, die über das hinausgeht, was wir hier tun können, objektiv Bericht zu erstatten und so weiter.

Unter all diesen Medienaufgaben ist es auch insbesondere die Rolle des Fernsehens, objektiv Bericht zu erstatten. Und warum? – Viele von uns abonnieren für zu Hause eine Tageszeitung, aber nicht alle Menschen unseres Landes tun dies. Und wenn man eine Tageszeitung aufschlägt, rechnet man ja schon mit einer gewissen Linie dieses oder jenes Blattes. – Umgekehrt hat aber fast jeder Haushalt in Österreich einen Fern-


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