Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 157. Sitzung / Seite 18

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Dieses Mitglied des ORF-Zentralbetriebsrates also hält es für richtig – wie ich einer Nachricht der „Wiener Zeitung“ von gestern entnehme –, gegen die eigenen Kollegen loszuziehen, und zwar deswegen, weil er beleidigt ist, da Frau Lindner ihn in eine bestimmte Gruppe – in jene, die bestimmte Vorwürfe gegen Herrn Mück untersuchen soll – nicht nominiert hat. Dieser Herr Zentralbetriebsrat und Stiftungsrat sagte dann der „Wiener Zeitung“ gegenüber: „Lindner hat unser Vertrauen verloren.“

In so einem Unternehmen soll die Generaldirektorin gute Politik machen?! Im Grunde verdient sie ein gewisses Maß an Mitleid, muss ich fast sagen. – In jedem anderen Unternehmen wäre so etwas jedenfalls nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen einen Wettstreit der Bestqualifizierten für dieses Amt, zunächst für das Amt der Generaldirektorin/des Generaldirektors, dann für die übrigen Vorstandsdirektoren und Landesdirektoren. Wir wollen nicht, dass die gegenwärtige Führung von der ÖVP im Stiftungsrat durchgewinkt wird.

Was wir verlangen, ist, finde ich, nicht zu viel, nämlich ein öffentliches Hearing im Stiftungsrat – statt eines Hearings hinter verschlossenen Türen, nur mit den Mitgliedern des Stiftungsrates –, ein medien-öffentliches Hearing also wollen wir. Ich muss nicht dabei sein. Journalisten sollen das von mir aus über die Fernseher des ORF-Hauses verfolgen können, aber öffentlich soll das jedenfalls sein.

Zweitens: Wir verlangen eine geheime Abstimmung im Stiftungsrat über diese Nomi­nierung. – Ich weiß wirklich nicht, was Sie da dagegen haben. Ich bin es noch von der Universität her gewohnt, dass solche Personalentscheidungen grundsätzlich in gehei­mer Abstimmung erfolgen. Das hat Vor- und Nachteile, aber man muss sich einmal da­für entscheiden, was man will.

Wenn Sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollten – ich verwende den Konjunktiv –, dass die Stiftungsräte beobachtet und kontrolliert werden, ob sie denn dem ÖVP-Kan­didaten/der ÖVP-Kandidatin ihre Stimme geben, dann stimmen Sie einer geheimen Abstimmung zu! (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend, meine Damen und Herren: Mit größtem Erstaunen habe ich neulich während der Nacht im ORF-Gesetz geschmökert. Das ORF-Gesetz in seinem Pro­grammauftrag ist gar nicht so schlecht. (Abg. Mag. Molterer: Das haben Sie das erste Mal gelesen? – Abg. Scheibner: Haben Sie nichts Besseres zu tun?) – Nicht das erste Mal, aber ich hatte auf Grund der ÖVP-Politik vergessen, was da drinnen steht.

§ 4 Abs. 6 besagt wörtlich: „Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht.“ (Abg. Mag. Mol­terer: Ja! – Abg. Dr. Brinek: Wo ist das Problem?) – Und wie ist es im Fernsehen heute?

Weiters heißt es: „Unabhängigkeit bedeutet“ – unter anderem – „Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss ...“. – Und wie ist es heute?

Nehmen Sie doch Ihr eigenes Gesetz, das Sie vor wenigen Jahren beschlossen ha­ben, endlich ernst! Dann wären wir ja bei Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Wir wollen nichts anderes als diese Unabhängigkeit. Und – auch das steht im ORF-Ge­setz –: Die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks mit kommerziellen Sendern im In- und Ausland soll gegeben sein. – Auch davon kann bei weitem derzeit keine Rede sein! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.21

 


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