Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 157. Sitzung / Seite 39

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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

(Abg. Dr. Pilz begibt sich mit einer Tafel zum Rednerpult, auf der der Bildschirm eines Computers sowie das ehemalige ORF-Testbild zu sehen sind, ergänzt um die Auf­schrift ÖVP“ sowie „www.rettet-den-orf.at“.)

 


16.37.52

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern Abend ist eine wichtige Entscheidung gefallen: 800 000 Menschen haben in Österreich ihre Entscheidung für das Hauptabendprogramm von ORF 1 und ORF 2 getroffen. 800 000 Menschen bei absolutem Fernsehwetter, es hat bekanntlich in fast ganz Österreich geregnet. 800 000 – das ist der absolute Tiefpunkt!

Viel weniger ist nicht mehr denkbar. Unter Generaldirektorin Monika Lindner ist der ORF erstmals in seiner Geschichte auf dem Weg zu einem Minderheitenprogramm. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Brinek: Das stimmt ja nicht in Wirklichkeit!)

Die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt wird ein Minderheitenprogramm, weil eine Re­gierung in Kauf nimmt und will, dass eine gescheiterte Geschäftsführung ihre Ge­schäfte weiterführt. Und folgende Frage stellt sich: Warum soll einer unfähigen und für ihr Amt nicht geeigneten Generaldirektorin (Ruf bei der ÖVP: Ungeheuerlich! – Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! – Abg. Steibl: Das ist Menschenhatz!) – das ist keine politische Behauptung, sondern durch wirtschaftliche Zahlen gut und profund untermauert – weiter das Geschick des ORF übertragen werden?

Es gibt einen einfachen Grund: Weil eine politische Partei und ihr politischer Arm in Form des Chefredakteurs Werner Mück in dieser Frage zu allem fähig sind. „Zu allem fähig“ heißt, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wirtschaftlich und von seiner Glaubwürdigkeit her – aufs Spiel zu setzen, nur um bei den nächsten National­ratswahlen ein willfähriges Instrument der Berichterstattung zu haben! (Abg. Dr. Fek­ter: Längst nicht mehr glaubwürdig!)

Der Österreichischen Volkspartei ist der ORF als Instrument der Machterhaltung wichti­ger als die Verteidigung eines der wichtigsten, sensibelsten und wertvollsten öffentli­chen Unternehmen dieser Republik. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und da geht Herr Klubobmann Molterer heraus und sagt: Bitte keine Parlamentsde­batte! Bitte den Stiftungsrat ungestört arbeiten lassen! (Abg. Steibl: So ist es auch!)

Wie sieht die „ungestörte Arbeit“ des Stiftungsrates aus? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das täten Sie gerne wissen!) – Klubobmann Molterer lässt im Hinterzimmer von Wie­ner Gasthäusern zu Sitzungen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: War Bauernbund-Sitzung?) des so genannten Freundeskreises des ORF-Stiftungsrates der ÖVP einladen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unerhört!)

Und wenn man hört „ÖVP-Freundeskreis“ (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!), dann erin­nert das an einiges, was in den letzten Jahren passiert ist (Zwischenrufe bei der ÖVP): Es war ein ÖVP-Freundeskreis, der die Immobilien verschleudert hat. Es war ein ÖVP-Freundeskreis, der ein öffentliches Unternehmen nach dem anderen zu billig verkauft hat. Und jetzt ist es ein ÖVP-Freundeskreis, der sich unter Anleitung des ÖVP-Klubob­mannes im Hinterzimmer eines Gasthauses trifft, um den ORF gegen den Willen der Mitarbeiter, gegen die Interessen des Unternehmens und gegen die Interessen der Zu­seherinnen und Zuseher auf Parteilinie zu halten.

Das ist Respekt vor dem Stiftungsrat? ÖVP-Hinterzimmer-Politik? ÖVP-Wirtshaustref­fen zur Regulierung des ORF?

 


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