Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 157. Sitzung / Seite 46

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Ich würde der Meinung sein, dass Sie von der ÖVP hier in diesem Zusammenhang befangen sind und sich eigentlich der Stimme enthalten sollten. (Abg. Prinz: „Würde“! Haben Sie diese Meinung oder nicht!) Es geht schließlich darum, ob Sie von diesem ORF bevorteilt werden oder nicht, und da sollten Sie sich eigentlich vornehm zurück­halten.

Natürlich könnten Sie sagen, wir anderen Parteien, die auch im Konkurrenzteam antre­ten, sind ja auch befangen, und da müssten wir uns überlegen, ob da nicht vielleicht die Öffentlichkeit, zum Beispiel die Kommentatoren und Kommentatorinnen in den Zei­tungen, das Urteil über die Unparteilichkeit des ORF fällen sollten. Und da sieht es, meine Damen und Herren, wahrlich nicht besonders gut für Sie aus. Und wenn man aber umgekehrt dann auch noch weiter denken könnte, auch die gesamte Bevölkerung und die Zivilgesellschaft könnte sich da auch vielleicht zu Wort melden, dann kommt man zu der Meinung, dass es da auch nicht besonders gut ausschaut. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich brauche Sie nur daran zu erinnern, dass sich in den Zeitungen in der letzten Zeit sehr viele zu Wort gemeldet haben, denen man nicht unbedingt Parteinähe ankreiden kann. Beispielsweise haben in der unabhängigen oder zumindest unabhängigen „Pres­se“ im „Spectrum“ vom 10. Juni einige Damen und Herren ihre Kommentare zum ORF abgegeben. Ich darf da kurz Friedrich Achleitner zitieren, der ja wirklich keine Partei­nähe hat. Er schreibt: Für mich erfüllt der ORF seinen Bildungsauftrag, weil ich nicht einmal mehr die Informationssendungen aufdrehen kann und endlich wieder zum Le­sen komme. – Also so weit hat es der ORF gebracht.

Oder Anneliese Rohrer: „Ermüdete und desinteressierte Kunden aber können sich heute durch andere Kanäle auch gähnen.“ – Also mit einem Wort, hier liegt etwas ...

Oder gehen wir zum Nächsten, Franz Schuh: „Mir kommt die Führungsetage des ORF derzeit wie eines der vielen Hinterzimmer der ÖVP-Parteizentrale ... vor.“ 

Oder Teddy Podgorski: „Das Fernsehen, das mittlerweile vom Informationsmedium zum Ablenkungsmedium geworden ist, muss auf den Quotenstrich gehen, um sich zu finanzieren.“

Das ist die Zivilgesellschaft, meine Damen und Herren, die sich auch ein Urteil gebildet hat und die Sie als Heuchler bezeichnen und als Heuchlerinnen – die sind wahrschein­lich auch mit gemeint, obwohl Sie nur die männliche Form verwendet haben. Das sind die, die SOS ORF unterschrieben haben und von denen man doch annehmen kann, dass sie Interesse an diesem ORF haben. Die wollen nicht mehr eingelullt werden, die wollen keinen Baldrian mehr, die haben genug von diesem Valium. Dieses Valium macht sie genau genommen sogar nervös.

Jetzt sind Sie von der ÖVP sogar gegen eine geheime Abstimmung, wenn es um die Geschäftsführung geht, damit ja nicht vielleicht irgendjemand im Stiftungsrat umfällt, von dem Sie eigentlich gehofft hätten, dass er die Parteilinie einhält, weil der- oder die­jenige vielleicht doch einen Funken an Demokratieverständnis mitbringt und sich denkt, da ist jemand von den sich Bewerbenden, der beim Hearing einen sehr guten Eindruck gemacht hat und eigentlich in die Geschäftsführung gehören würde.

Jetzt haben Sie ohnehin schon den halben Stiftungsrat schwarz besetzt und drei Vier­tel der Direktoren und Direktorinnen von Ihrer Partei in den ORF gesetzt. Alles von der Chefredaktion bis zu den wichtigen innenpolitischen Sendungen wie dem „Report“ ist schwarz. Und jetzt haben Sie noch immer Angst, dass das vielleicht doch insgeheim je­mandem zu viel werden würde und sich derjenige denken könnte, es gehört mehr De­mokratie, und mehr Verantwortung zeigen würde, wenn er geheim abstimmen könnte. Das drehen Sie jetzt auch zu, das wollen Sie auch nicht unterstützen.

 


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