Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 114

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Ich würde mich ja freuen, wenn der Herr Bundeskanzler einmal eine Zusage machen würde – und sich dann herausstellte: In der Umsetzung ist das ja mehr als das, was ursprünglich gedacht war! – So etwas habe ich aber noch nie erlebt, denn alles muss immer erstritten und erkämpft werden. Und auch in diesem Fall ist das so.

Herr Dr. Sturm hat um eine staatsvertragskonforme Lösung gekämpft, und er hat sich, mit dem Vertrauen der Volksgruppe ausgestattet, darum bemüht, Sie, Herr Bundes­kanzler, in Ihrem Bemühen zu unterstützen. Anzuführen ist da wirklich das große und ernsthafte Bemühen von Herrn Dr. Sturm – ich erinnere an die Konsenskonferenz, ich erinnere an die jahrelangen Diskussionen auch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kärnten –, eine Lösung noch in diesem Jahr zu etablieren.

Herr Dr. Sturm hat das ernst gemeint. Wer es allerdings nicht ernst gemeint hat, das waren Sie, Herr Bundeskanzler (Rufe bei der ÖVP: Unerhört!), denn sonst hätte es nicht dazu kommen können, dass es dazu den Zuruf aus Kärnten gab, das müsse in den Verfassungsrang erhoben und dort verankert werden, denn, so hat es geheißen: Ohne unsere Zustimmung – das heißt, ohne die Zustimmung des Kärntner Lan­deshauptmannes und ohne die Zustimmung der Bürgermeister Südkärntens – wird es keine zusätzlichen Ortstafeln in Kärnten geben! Auf diesen Zuruf haben Sie prompt reagiert, Herr Bundeskanzler – leider jedoch die ausgestreckte Hand der slowenischen Vertreterinnen und Vertretern Ihnen gegenüber ausgeschlagen! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ungeheuerlich!)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben in den letzten Tagen eine historische Möglichkeit ver­tan! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von ÖVP, Freiheitlichen – BZÖ, Grünen und SPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben die historische Möglichkeit vertan, diesen 51 Jahren Assimilationspolitik, diesen 51 Jahren des Vorenthaltens verbriefter Rechte, diesen 51 Jahren der Nichterfüllung des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien endlich ein Ende zu setzen! Das kann man aber nicht mit der aus vielen Nichtdemokratien bekann­ten Methode tun, dass die Mehrheit einfach über die Minderheit drüberfährt!

Herr Bundeskanzler, ich sage das jetzt nicht nur als Abgeordnete der Grünen, sondern auch aus der Betroffenheit einer Volksgruppenangehörigen dieses Landes heraus: Ich selbst habe erlebt, Herr Bundeskanzler, was Assimilationspolitik bedeutet, Assimilati­onspolitik – das möchte ich schon dazu sagen –, die nicht von einem ÖVP-Bundes­kanzler initiiert oder geprägt war: Es waren damals die Sozialdemokraten, die einer solchen Politik das Wort geredet haben. In diesem Zusammenhang erwähne ich jetzt nur den Namen Friedrich Robak; die Eingeweihten wissen etwas damit anzufangen.

Bei mir war es so, meine Damen und Herren, dass ich als burgenländische Kroatin in der Weise aufgewachsen bin, dass mein Vater, ein aufrechter Sozialdemokrat und Bauarbeiter, immer gesagt hat: Meinen Kindern soll es in Zukunft besser gehen; das Wichtigste für uns, um einen sozialen Aufstieg zu erlangen, ist, gut Deutsch zu können!

Ich bin während meiner ganzen Volksschulzeit jeden Tag in der Früh an meiner ört­lichen Volksschule in Stinatz vorbeigegangen, zur Postautobus-Haltestelle jenseits der Volksschule, habe dort auf den Bus gewartet und bin mit diesem in den Nachbarort gefahren, um eine einsprachige Schule zu besuchen, um dort gut Deutsch zu lernen. Das durchzusetzen ist meinem Vater gelungen. – Mein Vater sieht diese Dinge heute jedoch ganz anders. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mein Vater sieht diese Dinge heute aus dem Kontext der Zeit und seinem Bemühen heraus und steht dazu, weiß jedoch heute, dass es ein Fehler ist (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) – das ist schon mein Schlusssatz, Herr Prä­sident –, solchen politischen Strömungen nachzugeben.

 


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