Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 119

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Was ist denn der einzige Sinn und Zweck, diese Vereinbarung – mag sie ganz schlecht oder ganz gut sein – durch ein Verfassungsgesetz abzusichern? – Der einzige Zweck ist doch, sie der Kontrolle und Überprüfung durch den VfGH zu entziehen, den VfGH in dieser Frage zu blockieren! Und darauf sind Sie noch stolz? (Zwischenruf der Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer.)

Machen Sie ein einfaches Gesetz, das der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof unterliegt! Es ist doch nichts einfacher als das. Es gibt keinen Grund, das verfassungs­rechtlich abzusichern, außer dass Sie die Verpflichtungen des Staatsvertrags nicht ein­halten wollen, dass Sie das durch ein Verfassungsgesetz absegnen und natürlich zur Vorsicht aus Ihrer Sicht gegen die Überprüfung durch den VfGH absichern wollen. Das ist miserable Verfassungspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heinz Mayer, der nicht irgendwer ist in dieser Republik, sondern einer der bekanntes­ten Staatsrechtler, Verfassungs- und Verwaltungsrechtler, schreibt heute im „Falter“ (Zwischenruf der Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer): historisch erbärmlich – nicht „his­torischer Kompromiss“ –, nämlich ein „erbärmlicher Umgang mit der Verfassung“ in Österreich. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Ist es nicht, auch wenn es im „Falter“ steht!)

Auch der „Falter“ kann sich irren, da haben Sie Recht. Auch Heinz Mayer kann sich irren, da haben Sie auch Recht. Aber sagen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum gerade Sie sich in dieser Frage nicht irren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sagen Sie mir einen vernünftigen politischen, juristischen Grund, warum das in den Verfassungsrang erhoben werden muss!

Manchmal frage ich mich: Haben Sie wirklich verstanden, was ein Minderheitenrecht ist? – Was ist ein Minderheitsrecht hier im Parlament, hier im Nationalrat? Also zum Beispiel: Fünf Abgeordnete dürfen eine schriftliche Anfrage machen. (Zwischenruf der Abg. Lentsch.) Die müssen nicht die Mehrheit fragen: Dürfen wir das?, so wie in vielen Landtagen in Österreich, zum Beispiel im niederösterreichischen Landtag. Fünf Abge­ordnete dürfen eine Dringliche Anfrage oder einen Dringlichen Antrag stellen, so wie heute. Die müssen nicht die Mehrheit fragen, ob sie das dürfen oder nicht. Und unter bestimmten Bedingungen darf eine Minderheit eine Sondersitzung verlangen, und so weiter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.) Im Konkreten sind das immer Kom­promisse nach Verhandlungen und so weiter – warum gerade fünf, warum nicht vier, warum nicht sechs?

Die 10 Prozent im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom Dezember 2001 – er hätte auch 8 Prozent oder 12 Prozent sagen können, das ist halt in der Bandbreite des­sen, was er bei seinen Untersuchungen recherchiert hat, keine Frage. (Abg. Dr. Baum­gartner-Gabitzer: Was ist 10/15?) Aber zum Beispiel 25 Prozent sind eindeutig zu viel. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Aber er sagt, mehr als 10 Prozent!) – Mehr als 10 Pro­zent, okay. 10,01 Prozent sind mehr als 10 Prozent. (Beifall bei den Grünen.)

Der Minderheitenschutz, das ist ein Recht. Die Slowenisch sprechenden Kärntner, die Kroatisch sprechenden Burgenländer, wer auch immer unter diesen so genannten autochthonen Minderheitenschutz fällt, haben Rechte. Die wollen das nicht erbitten, die wollen das auch nicht bei einer künftigen Bundesregierung erbitten. Wer weiß, wie die ausschaut. Das verstehe ich. Ein Recht ist etwas unmittelbar Umsetzbares und keine Bittstellerei! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das Gleiche, wie wenn Sie von uns erwarten würden, dass wir einer Reform der Geschäftsordnung zustimmen, nach der unsere bescheidenen Minderheitsrechte plötz­lich der Beschlussfassung durch die Mehrheit unterliegen. Das ist ja nicht Minderhei-


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