Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 186

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Der Rechtsexperte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes hat gestern ge­nau dargelegt, dass gerade diese Munition eine ist, die dem internationalen humanitä­ren Recht nicht entspricht, nämlich etwa dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Das bedeutet: Was will man militärisch erreichen, und wie viel Zerstörung und Leid der Zivil­bevölkerung nimmt man dafür in Kauf? Das muss in einem Konflikt ein gewisses Ver­hältnis haben, und das trifft bei der Streumunition und den Streubomben nicht zu. Ein Beispiel dafür hat Kollege Posch schon gebracht: Kosovo, Juni 1999, Einsatz von 295 000 Stück dieser Streumunition, die in Streubomben abgeworfen worden waren. 14 serbische Panzer wurden damit zerstört. 14, nicht mehr! Viele dieser 295 000 klei­nen Dinge, die noch dazu färbig sind und wie Spielzeug ausschauen, liegen dort zum Teil immer noch herum.

Das ist nicht so wie bei den Landminen, wo man weiß, wenn das bekannt gegeben wird, wo sie genau liegen. Diese Streumunition wird in Form von Bomben abgeworfen, die viele kleine Munitionsteile enthalten. Die gesamte Fläche, auf die diese Munition fällt, wird von Fachleuten auf Englisch als „footprint“ bezeichnet, also „Fußabdruck“. Es hängt sehr davon ab, wie der Boden dort beschaffen ist, wo die Munition hinfällt: Wenn er hart ist, bleibt die Munition oben liegen. Viele explodieren, aber nicht alle, man kann das als Laie auch nicht erkennen, ob die Munition noch scharf ist oder nicht. Aber man­che versinken, wenn sie zum Beispiel auf Sand fallen. Wenn der Boden feucht ist, sin­ken sie auch ein. Dann weiß man nicht mehr, ob welche unter der Oberfläche liegen oder nicht. Und wenn Kinder dort herumlaufen und diese bunten Dinge, gelbe, rote, blaue, dort herumliegen sehen, greifen sie sie an, heben sie neugierig auf – und dann können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn diese Bomben vorher nicht explodiert sind. Deshalb sagen die Fachleute, dass diese Art von Munition noch viel gefährlicher ist als die Landminen.

Ein Mitarbeiter von Handicap International, der 25 Jahre lang Mitglied der Britischen Armee war und vor fünf Jahren selbst Opfer einer Landmine wurde, nämlich ein Bein verloren hat, hat bei unserer Veranstaltung am 11. Juli erzählt, dass ihm ein Freund einmal gesagt hat: Wenn du eine Landmine, auf die du steigst, überlebst, dann bist du froh, dass du das überlebt hast! Dann hast du eines deiner Gliedmaßen verloren, aber du lebst! Wenn du aber Opfer eine Streubombe, einer Streumunition wirst und du überlebst, so ist das ganz anders! Dann wäre es manchen Leuten lieber gewesen, wenn sie gestorben wären. Der Freund hat ihm Fotos von Menschen gezeigt, die nicht nur – das „nur“ ist jetzt schon zuviel gesagt – einen Arm oder ein Bein verloren haben, sondern deren Körper massivste Verletzungen aufgewiesen haben, weil das Splitter sind, die den Körper treffen und zerstören, und diese Verletzungen sind kaum heilbar.

Aus diesem Grund haben mich diese Schilderungen von gestern – das merken Sie wahrscheinlich an meiner Stellungnahme hier – mehr beeindruckt als das, was ich vor­her wusste, und mich noch mehr davon überzeugt, dass es Sinn macht, dass Öster­reich ein einseitiges Moratorium beschließt und dass insgesamt ein Verbot der Lage­rung dieser Munition beschlossen wird, und zwar nicht nur der Munition, die mehr als 1 Prozent Blindgängerrate aufweist. Auch da möchte ich Ihnen erklären, warum.

Die Fachleute von Landmine Action haben erklärt, dass diese Streumunition in der Fachsprache „bomblets“ heißt. Diejenige, die das österreichische Bundesheer la­gernd hat, ist der Typ M 85. Das Bundesheer behauptet, diese weise eine Blindgänger­rate von nur 1 Prozent auf, wo man sozusagen in Kauf nehmen kann, dass nur sehr wenige später erst explodieren und dann Menschen gefährden.

Das britische Verteidigungsministerium, also nicht irgendeine NGO, sondern das bri­tische Verteidigungsministerium hat vor kurzem, und zwar am 27. März 2006, festge­stellt, dass bei ihren Tests, die sie im September 2005 durchgeführt haben, genau die-


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