Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 40

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Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“ (Abg. Scheibner: Wann ist das beschlossen worden, Herr Kollege?)

Die Republik bekennt sich also zu ihren Minderheiten, autochthonen Volksgruppen. – Was ist das aber für eine Republik, die sich nicht dazu bekennt, dass ebendiese Volksgruppen den Anspruch haben, in dem Dorf, in der Ortschaft, wo sie wohnen, eine zweisprachige Aufschrift auf der Ortstafel zu haben? Eine Republik, die sich dazu bekennt, dass sie diese Minderheiten sichert und fördert, hat sich auch dazu zu bekennen, dass es offenkundig ist, dass es diese Minderheiten gibt, und dass sie sie nicht dadurch versteckt, dass ausschließlich deutschsprachige Ortstafelbezeichnungen verwendet werden.

Das steht schon in der Verfassung. Das brauchen Sie also nicht noch einmal in eine Verfassungsbestimmung zu kleiden. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weiters: Das VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2001 hat, wie wir alle wissen, die einschlägigen Bestimmungen, die bis dahin anwendbar waren, aufgehoben, weil zu restriktiv. Im Jahre 2001! Der VfGH hat eine Frist bis Ende 2002 gesetzt, das zu reparieren. – Die blau-schwarze Regierung und die schwarz-orange Regierung haben nicht einen Finger gerührt, fast fünf Jahre lang, um dieser Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes nachzukommen. Aber jetzt soll die Bundes-SPÖ in Nacht-und-Nebel-Aktionen da zustimmen – okay, das ist Ihr Problem, geht mich weiter nichts an – und versuchen Sie, in dieser Frage staatspolitische Verantwortung zu be­schwören, Herr Molterer! Also bitte schön: Fünf Jahre lang, mindestens, haben Sie diese staatspolitische Verantwortung ignoriert – aber jetzt, von Donnerstag auf Freitag dieser Woche, ist auf einmal diese Verantwortung angesagt. Das ist so etwas von unglaubwürdig, was Sie hier bieten, dass das kaum noch in Worte zu kleiden ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie eine Verfassungsbestimmung brauchen, dann für einen durchsetzbaren Anspruch der Minderheit für ihre Rechte. Ja, darüber kann man reden. So zum Beispiel hat der Verfassungsgerichtshof gemeint: 10 Prozent plus über einen längeren Zeit­raum. Wenn das Kriterium erfüllt ist, hat die Volksgruppe einen Anspruch, einen durch­setzbaren, einen automatischen Anspruch auf eine zweisprachige Ortstafel. Darüber kann man reden, das in eine Verfassungsbestimmung zu kleiden und die Durch­setzbarkeit dieses Anspruchs zu gewährleisten. Das wäre in Ordnung.

Aber der Hintergrund Ihrer Geschichte ist doch, dass von Anfang an Jörg Haider und andere, auch die Kärntner SPÖ, gesagt haben, sie brauchen eine Verfassungs­bestimmung, damit „endlich a Ruah ist“ in diesem Land. Das waren die wörtlichen Zitate damals. Damit die Ansprüche der Kärntner mit slowenischer Muttersprache endlich einmal nicht mehr durchgesetzt werden können mittels Verwaltungsüber­tretungen, nämlich Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ortsgebiet; das war doch der Hintergrund. Dafür wollten Sie und wollen Sie immer noch eine Verfassungs­bestim­mung. Das ist ein Missbrauch einer Verfassungsbestimmung, ein Missbrauch der Zweidrittelmehrheit in diesem Parlament. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Wenn Sie, wie Bundeskanzler Schüssel bei unserer Dringlichen Anfrage gesagt hat, sicher sind, dass Sie eine verfassungskonforme Lösung vorschlagen, dann machen Sie ein einfaches Gesetz, dann setzen Sie das, was Molterer/Scheibner heute vorschlagen, mittels eines einfachen Gesetzes um und lassen dadurch offen, was der Verfassungsgerichtshof in späteren Jahren dazu sagt. – Das wäre eine konsequente Vorgangsweise.

 


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