Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 66

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trages von Wien – davon abhängen soll, ob eine Mehrheit das will oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist immer das Schicksal von Minderheiten, Herr Bundeskanzler! Minderheiten sind Minderheiten, nicht weil sie minder sind, sondern weil sie zahlenmäßig weniger sind. Es gibt inzwischen nur mehr einige zehntausend zweisprachige, nämlich slowenisch- und deutschsprachige, Kärntner.

Es gab in dieser Region Südkärntens, aber auch in den Regionen des Burgenlandes, die zweisprachige Gebiete sind, Zeiten, da waren es 90 Prozent zweisprachige Menschen, 70 Prozent zweisprachige Menschen. Der Heimatort von Norbert Darabos, Kroatisch Minihof/Mjenovo, hat heute noch einen Anteil von 92 Prozent zweisprachiger Bevölkerung. (Abg. Scheibner: Und bis ... keine einzige Ortstafel!)

Die Bewohner von Mjenovo/Kroatisch Minihof sind stolz darauf, dass sie zweisprachig sind.

Es gab auch Orte in Kärnten, die noch vor einigen Jahren, nämlich vor rund 30 Jahren, im Jahre 1971, zu 40 bis 50 Prozent zweisprachig waren: Etwa Plescherken/Plešerka, ein Ort, wo ich oft hinfahre, weil ich dort Leute kenne – einsprachige und zwei­sprachige. Dort gab es noch im Jahre 1971 43,3 Prozent zweisprachiger Bevölkerung. Es gab aber bei der letzten Volkszählung im Jahre 2001 auch einen Anteil von 14,7 Prozent zweisprachiger Bevölkerung in diesem kleinen, wunderschönen Süd­kärntner Ort.

Plescherken/Plešerka wird aber, wenn es nach Ihren Plänen, Herr Bundeskanzler, geht, nie das Recht, das die Bevölkerung dort hat, verbrieft im Staatsvertrag von Wien, erfüllt bekommen. Das, was in den letzten Tagen, Wochen von Ihnen vorgelegt, diskutiert, heute in einem dicken Initiativantrag nur der ÖVP-Fraktion diesem Haus vorgelegt wurde, schließt aus, dass Plescherken/Plešerka – wo es noch vor 30 Jahren einen Anteil von fast 50 Prozent zweisprachiger Menschen gab, wo sich im Jahre 2001 14,7 Prozent dazu bekannt haben – je eine zweisprachige Ortstafel bekommen kann. Sie wollen die Bestimmungen jetzt – entgegen dem Staatsvertrag von Wien, aber vor allem auch gegen jene Instanz, die die einzige ist, die den Staatsvertrag von Wien in den letzten Jahrzehnten ausgelegt hat, nämlich der Verfassungsgerichtshof – mit Zweidrittelmehrheit verordnen.

Herr Bundeskanzler, das ist es, wogegen sich Minderheitenangehörige und jene, denen Minderheitenschutz wichtig ist, auflehnen! Und: Minderheitenschutz ist eine Aufgabe der Mehrheit – und nicht der Minderheit! (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Verständnis muss jeder Regelung zugrunde gelegt werden, nämlich dass die Minderheiten nie ihre Ansprüche allein wird durchsetzen können. Sie ist angewiesen auf die Mehrheit, und sie ist angewiesen auf Schutzbestimmungen, die in der österreichischen Bundesverfassung enthalten sind. Der Artikel 7, Staatsvertrag von Wien, ist sozusagen die Magna Charta des Minderheitenschutzes in Österreich. Um die Umsetzung dieses Artikels 7 haben die Minderheitenvertreter in den letzten Wochen, Jahren, ja Jahrzehnten gekämpft – vor einigen Jahren noch mit physischer Gewalt, weil die Gegengewalt, die von der anderen Seite ausgegangen ist, nichts anderes zuließ.

Heute wird mit Worten gekämpft, mit dem Versuch, zueinander zu kommen, alte Mythen, alte Belastungen, die es in dieser Region gibt, abzulegen, aufeinander zuzu­kommen und das zu lösen.

Die Politik hat dabei nur eine einzige Aufgabe, nämlich den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rahmen dafür nicht in Frage zu stellen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Alles, was in den letzten Wochen passiert ist, war Folgendes: den


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