Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 82

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

11.23.10

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehapparaten! Wer nun die Ausführungen des Herrn Klubobmanns Molterer gehört hat, weiß, dass er in einer einzigen Disziplin ein wirklicher Experte ist: Er schafft es, dort, wo noch Brücken bestehen, auch diese niederzureißen. Und das braucht Österreich nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Klar und deutlich muss gesagt werden: Man kann über die Politik einer Bundes­regierung unterschiedlicher Auffassung sein, aber eines ist klar: Die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist zwar nicht stolz auf die Bundesregierung (Ruf bei der ÖVP: O ja!), schon gar nicht stolz auf die ÖVP, aber stolz auf Österreich. Und das werden wir uns von Ihnen nicht verbieten lassen, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich ja nicht die Frage: Österreich ja oder nein? Wer diese Frage formuliert oder unterstellt, Herr Molterer (Zwischenruf des Abg. Großruck), bei dem stellt sich ja die Frage: Woran denkt er überhaupt? (Abg. Dr. Fekter: In Zeiten der Sanktionen hat sich diese Frage gestellt!) Es geht in erster Linie darum, wie es den Österreicherinnen und Österreichern geht, welche Chancen und Möglichkeiten sie haben und wie man die Dinge in Österreich besser machen kann. Das ist die Frage, die sich in der Politik stellen muss! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Wenn Sie, Herr Molterer, in Ihrer Rede heute so tun, als wäre für alle in Österreich alles paletti, dann muss ich Sie fragen: Schämen Sie sich eigentlich nicht, wenn Sie an die eine Million Menschen, die in Österreich akut armutsgefährdet sind, denken? Schämen Sie sich nicht, wenn Sie an die 460 000 Menschen denken, die in akuter Armut leben? Schämen Sie sich nicht, wenn Sie an die fast 400 000 Menschen denken, die heuer im Winter arbeitslos sind? – Und Sie stellen sich hier her und tun so, als wäre für alle in Österreich alles in Ordnung. Schämen Sie sich, Herr Molterer! Das haben sich die Menschen in Österreich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist gut, dass in der heutigen Debatte die Unterschiede herausgearbeitet werden, denn das bietet den Menschen eine Entscheidungsgrundlage.

Da Herr Abgeordneter Molterer auf den Arbeitsmarkt Bezug genommen hat: Es ist einfach so, dass die amtierende Bundesregierung leider die Regierung der Rekord­arbeitslosigkeit (Abg. Großruck: Falsch!) und die Regierung der höchsten Jugend­arbeitslosigkeit in der Geschichte unseres Landes ist. Und das ist kein Erfolg, sondern traurig für die betroffenen Menschen in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und wenn Sie sagen, dass Sie so viel für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgeben (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), muss man sagen: Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, ist das auch notwendig!

7 Milliarden € gehen Österreich jedes Jahr allein durch diese hohe Arbeitslosigkeit verloren, aber der Punkt ist doch, wofür das Geld verwendet wird. Jeden Tag erhalte ich Mails von Menschen, die sagen, dass sie genötigt werden, in kurzfristige Kurse zu gehen – ein Bauarbeiter mit 60 Jahren, der jetzt zum Englischlernen geschickt wird, damit er unter Umständen noch eine Chance auf einen Job am Bau hat; ein Bilanz­buchhalter, der jetzt in einen Buchhaltungskurs geschickt wird. (Abg. Dr. Fekter: Wien versagt!) Solche Dinge finden statt, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber dafür ist das Geld der Österreicherinnen und Österreicher zu schade, denn wir wollen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite