Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll163. Sitzung / Seite 100

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Zweiten Weltkrieg, die Gegensätze letztlich so groß waren, dass es so viele Jahr­zehnte lang gedauert hat, bis man diesen Ausgleich gefunden hat, eine wirklich funktio­nierende Autonomie erlebt, sodass auch die Gegensätze zwischen den Volksgruppen praktisch verschwunden sind, bis auf einige wenige, die da noch versuchen, Gegner­schaften zu erzeugen.

Am Anfang stand jedoch ein völkerrechtswidriger Akt, nämlich dass man – gegen alle Grundsätze – einen Teil Österreich abgetrennt hat. Das Selbststimmungsrecht der Völ­ker war doch nach dem Ersten Weltkrieg eines der Prinzipien, die man in Europa durchzuführen versucht hat. – Bei Südtirol hingegen hat man die Bevölkerung nicht gefragt, wie sie sich selbst sieht und wo sie sich selbst gesehen hätte. Ich denke, das ist schon eine Besonderheit, die Südtirol etwas hervorhebt aus anderen Regionen in Europa, in denen es Minderheiten anderer Volksgruppen gibt. Deshalb müssen wir sig­nalisieren – und ich glaube, dass das auch die Südtiroler Bevölkerung von uns ver­langt –, auch wenn es keine aktuellen Probleme gibt, dass wir in unserer Bundesver­fassung auf diese besondere Schutzfunktion hinweisen wollen.

Frau Kollegin Lunacek, Sie haben sich ja selbst widersprochen: Sie haben einerseits gesagt, es gebe keine Notwendigkeit, denn es gebe ja auch keine Probleme, und Be­kenntnisse in einer Verfassung seien auch nicht notwendig, haben aber dann gleich im nächsten Satz gesagt, Probleme gebe es immer nur dann, wenn in Italien rechte Re­gierungen am Werk seien. – Ich sage Ihnen, mir ist es völlig egal, welche Regierung in Italien Probleme für unsere österreichische Bevölkerungsgruppe in Südtirol verursacht. Und genau deswegen, weil es eben nicht ausgeschlossen ist, dass auch in Italien wie­der eine Regierung an die Macht kommt, die vielleicht diese Rechte wieder einschrän­ken möchte, ist es notwendig, dass wir als Österreicher dieses Signal gegenüber unse­rer Bevölkerung in Südtirol abgeben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir haben im Verfassungskonvent sehr intensiv auch über diese Fragen diskutiert. Umso mehr bedauere ich es auch im Hinblick auf diese Frage, dass wir insgesamt im Konvent keinen Konsens erzielt haben und es keine Verfas­sungsnovelle gibt, denn dann hätten wir heute keinen Entschließungsantrag beschlie­ßen müssen.

Frau Kollegin Lunacek, Sie fragen: Warum gerade jetzt? – Wir haben in der Präsi­diale – da sind auch Ihre Vertreter dabei gewesen – einstimmig diese Tagesordnung festgelegt, das also schon im Juli gesagt. Die Wahl spielt schon eine Rolle, aber nicht in dem Sinn, dass wir damit irgendwie punkten möchten, sondern weil wir gesagt ha­ben, wir wollen ein Thema haben, zu dem es einen breiten Konsens gibt, der aus der normalen Wahlkampfdiskussion herausgehalten wird. Das war der Grund, und da soll­ten Sie sich bei Ihren Klubvertretern in der Präsidiale erkunden, warum auch sie dieser Tagesordnung zugestimmt haben.

Es ist schade, dass wir heute nur über einen Entschließungsantrag diskutieren und ab­stimmen werden. Ich hätte das lieber schon in einer Verfassungsnovelle entschieden und auch festgelegt.

Wir haben im Konvent den Vorschlag gemacht, das Schutzbekenntnis zu erweitern, nämlich auch auf jene alt-österreichischen Minderheiten zu erstrecken, die nach wie vor in anderen europäischen Ländern, etwa in den Nachfolgestaaten der österrei­chisch-ungarischen Monarchie leben. Diese mussten in den letzten Jahrzehnten auch sehr, sehr viel Unangenehmes erleiden, Vertreibung und Unterdrückung. Erst seit der Wende in diesen ehemaligen kommunistischen Staaten gibt es für die Verbliebenen noch die Chance, ihre eigenen Bräuche, ihre eigene Sprache verwenden zu können und dadurch als Volksgruppe eine Zukunft zu haben.

 


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