Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll163. Sitzung / Seite 105

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Drittens – und da wird die Debatte, glaube ich, schon sehr konkret für meine Kollegin­nen und Kollegen von der grünen Fraktion –: Südtirol will letztlich diese Schutzfunktion seitens Österreichs.

Frau Kollegin Stoisits, Sie haben Botschafter Steiner, glaube ich, sehr, sehr einseitig zitiert. Botschafter Steiner ist ein völlig unverdächtiger Zeuge dieser österreichischen Politik, und Sie müssen ganz einfach wissen – ich werde dann ein Zitat nachreichen –, dass Sie mit dieser Haltung gegen die erklärte Haltung der gewählten Südtiroler Ver­treter stimmen.

Auch die Debatte, ob dieser Zeitpunkt der richtige ist, oder wie auch immer man das bezeichnet, ist, glaube ich, völlig müßig. Es gibt immer wieder Gelegenheiten, etwas zu verbessern, etwas zu präzisieren, etwas zu machen, das zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht nicht gegangen ist, und die Verabschiedung oder die Diskussionen einer neuen Verfassung in Österreich ist eine solche Gelegenheit.

Aber warum will auch Südtirol – und dieses Wollen von Südtirol ist, wie ich meine, ein ganz entscheidender Punkt – diese Schutzfunktion Österreichs? – Weil diese Schutz­funktion auch ein Garant für die internationale Verankerung und für die internationale Absicherung auch der besonderen Qualität der Südtiroler Autonomie ist, weil diese Südtiroler Autonomie in ihrer Qualität weit über das hinausgeht, was wir von anderen Autonomien, auch in Italien, kennen.

Ich darf Ihnen hier ein Zitat des Südtiroler Landeshauptmannes – taufrisch, vom 5. September 2006 – liefern, der die völkerrechtlichen Grundlagen durch das Gruber-De Gasperi-Abkommen so kommentiert hat, dass diese völkerrechtlichen Grundlagen nicht nur verfassungsrechtlich in Italien, sondern auch international gegenüber dem Vertragsstaat Österreich abgesichert sind. Österreich kann als Vertragspartei von Ita­lien die Erfüllung der darin übernommenen Pflichten verlangen. Und das ist, wie ich meine, der ganz entscheidende Punkt.

In Summe ist die Entwicklung in Südtirol geradezu eine Sensation: eine Sensation in humanitärer Hinsicht, eine politische Sensation und auch eine geschichtliche Sensa­tion, denn heute erleben wir ein prosperierendes Land, eine moderne Dienstleistungs­gesellschaft und ein vollkommen untadeliges Zusammenleben der Volksgruppen. Ich meine, dafür ist man letztlich auch der Republik Italien zu Dank verpflichtet. Italien war immer ein sehr zäher, auch ein schwieriger, aber letztendlich ein durchaus fairer Ver­handlungspartner, der es ermöglicht und zugelassen hat, dass diese Autonomie ent­standen ist, eine Autonomie, auf die heute auch italienische Politiker stolz sind – und die letztlich diese zu einem internationalen Vorbild haben werden lassen.

Man kann vieles von dem, was da heute diskutiert wird, letztlich nur im Zusammen­hang mit der Ausgangslage, die in Südtirol 1919 gegeben war, sehen, die eine sehr düstere war, die in den zwanziger Jahren die Ansiedelung der Schwerindustrie, Unter­drückung, das Verbot der deutschsprachigen Schulen und schwere Pressionen gegen die Bevölkerung beinhaltet hat, die 1939 in der Option gegipfelt hat – es ist unvorstell­bar, dass sich 86 Prozent einer Bevölkerung letztlich entschließen, auszuwandern, auszusiedeln – und die in den sechziger Jahren in diesen „Feuernächten“ gegipfelt ha­ben.

Und dann diese Erfolgsstory in Südtirol! Südtirol steht heute als eine Vorzeigeregion in Europa da. Dazu kann man wirklich nur gratulieren.

Bezüglich der Aufnahme der Schutzfunktion in die österreichische Verfassung müsste man sich vielleicht einmal in umgekehrter Richtung fragen: Wem schadet sie? – Das schadet niemandem, ist aber ein sehr wertvolles und wichtiges Signal an die Betroffe­nen in Südtirol, an die Vertragspartner und an die internationale Staatengemeinschaft,


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