Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 65

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Mit der Feststellung, „über die Wertschätzung, die uns da entgegen gebracht wurde,“ werde man „im nächsten Präsidium nachdenken“, brachte der steirische SP-Landes­hauptmann Voves seinen Unmut über die Regierungsverhandlungen, die entsprechen­den Ergebnisse aber insbesondere über den Verhandlungsstil seines Parteivorsitzen­den Gusenbauer zum Ausdruck. „Die Ergebnisse zu Eurofightern und Studiengebühren wurden uns lediglich mitgeteilt“, so Voves weiter.

Grundstock für diese Verärgerung dürften aber auch die massenhaften Austritt aus der SPÖ sein, an deren Spitze die Vorsitzende des VSStÖ Sylvia Kuba und die ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha zu nennen sind, welche aus den Massendemonstrationen von v. a. linken Studenten und SJ ihre Konsequenzen gezogen haben. Ihren bishe­rigen Höhepunkt erreichten diese in der Besetzung der SPÖ-Parteizentrale in der Löwelstraße, was den neuen HBK, Dr. Alfred Gusenbauer, zu scherzhaften Erzäh­lungen vor laufender ORF-Kamera gegenüber seinem Vizekanzler am Weg zur Angelobung durch den Herrn Bundespräsidenten verleitete. Da hilft selbst dessen Verständnis für Proteste und auch die des neuen Sozialministers mit geringem Portefeuille, Erwin Buchinger, nichts – die Sozialdemokratie und ihr derzeitiger Obmann haben nicht nur die sprichwörtlichen Hosen heruntergelassen, sie wurden auch von der ÖVP schlicht über den Tisch gezogen. Zu groß war die Gier nach Macht.

Die SPÖ hatte nicht nur die in bisherigen Großen Koalitionen traditionell „roten Ressorts“, wie Inneres und Finanzen an die ÖVP verspielt, auch im Sozialressort herrscht Flaute. Der Familienlastenausgleichsfonds wandert mit den Familien-, Senioren- und Jugendagenden angeblich zum Gesundheits- und Frauenressort und von der „Rückholung ins sozialdemokratische Reich“ der Arbeitsagenden – ein­schließlich des AMS mit einem Buchinger-Bruder an der Spitze, ist ebenso nur ein Traum geblieben. Keine Rede mehr von der strategischen Achse der Buchinger-Brüder und dem damit verbundenen möglichen „Doppelpass-Spiel“. Kein Wunder, wenn führende Sozialdemokraten mit Regierungserfahrung – in Anspielung auf das große Vorbild Gusenbauers – gemeint haben: „Wir haben einen roten Kanzler unter einer schwarzen Regierung. Kreisky dreht sich im Grab um.“, so Ex-SP-Vizekanzler Androsch, der zwar vordergründig aus monetären, aber dennoch gleich seinen Opern­ball-Besuch abgesagt hat. Zu wenig gibt es derzeit in der Sozialdemokratie zu feiern.

Nachverhandlungen ausgeschlossen

Kein Wunder, dass bereits am Tag der Unterzeichnung des Arbeitsübereinkommens seitens der SPÖ, namentlich von Klubobmann Cap, Nachverhandlungen insbesondere für den Bereich der Studiengebühren gefordert wurden. Zu groß ist der Druck durch die ablehnenden Gruppen und Teilorganisationen, die dem Parteivorsitzenden nur 75 Prozent Zustimmung im Parteivorstand zu diesem, seinem Programm gebracht haben. Jeder vierte Sozialdemokrat ist also dagegen.

Im Gegensatz zu den durchwegs positiven Stellungnahmen ausländischer Medien zur Regierungspolitik der letzten sieben Jahre, bringen die Kommentare der letzten Tage große Skepsis zum Ausdruck, wenn beispielsweise davon gesprochen wird, dass „sich die Koalitionspartner keine große Reformagenda vorgenommen haben“ oder von „wachsweichen Kompromissen“ die Rede ist („Der Tagesspiegel“ Berlin / 09.01.07)

Die Bewertung des Regierungsübereinkommens durch die inländischen Medien fiel selbst bei SPÖ-nahen Medien durchwegs negativ aus:

„Gusenbauers Handicap: Gebrochene Versprechen und eine lächerliche Ministerliste“; (09.01.07) „DER STANDARD“

Die Ressortverteilung zeigt, dass die Regierung nicht plant, mutig Akzente zu setzen.  (11.01.07) „DER STANDARD“

 


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